Seite - 37 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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37Thematische,
räumliche und zeitliche Einordnung
Auch in dieser Arbeit kommen Akteure zu Wort, die dementsprechend
nicht gegenüber allem Nationalen indifferent waren. Sie waren sich ihrer
ethnisch-nationalen Zugehörigkeit und mithin ihrer Muttersprache sogar
sehr wohl bewusst. Aber das bedeutete keinesfalls, dass die Konflikte wegen
dieses Bewusstseins entstanden wären. Dass sich die lokalen Konfliktak-
teure mal in und mit den nationalen (nationalistischen) Diskursen veror-
ten konnten, ist kein Beweis für ihren eigenen Nationalismus, sondern es
beweist nur die Kraft des elitären Nationalismus, welcher sich die Periphe-
rie – wenn sie gehört und gesehen werden wollte – nicht komplett enziehen
konnte. Soziale, parteipolitische oder persönliche Anliegen der Peripherie
konnten mit der nationalistischen Sprache für die städtische Öffentlichkeit
(für das »Zentrum«) hör- und sichtbar gemacht werden (vgl. Kapitel 5.2.1).
Ein Rekurs auf die Ethnizität konnte für sozial benachteiligte Gruppen und
Schichten eine gewisse Selbstbehauptung ermöglichen.69 Wie Joanna Pfaff-
Czernacka schreibt, ist die Sprache der Ethnizität »eine Ressource in defini-
torischen Kämpfen um soziale Ordnung – um legitime Prinzipien sozialer
Wirklichkeitskonstruktionen«.70
1.1.4 Räumliche Verortung
Auf der heutigen Europakarte ist das nordöstliche Adriagebiet zwischen der
dreisprachigen italienischen Autonomen Region Friuli Giulia Venezia / Fur-
lanija Julijska Krajina / Friûl Vignesie Julie, der teilweise zweisprachigen
slowenischen Region Primorska / Littorale und der zweisprachigen kroati-
schen Gespanschaft Istra / Istria aufgeteilt. Wenn wir einen Blick auf eine
Karte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie werfen, trifft man auf die
Bezeichnungen »Österreichisches Küstenland« und »Ungarisch-Kroatisches
Küstenland«.71 Nach den Kategorien der politischen und historischen Geo-
graphie umfasste der oberadriatische Raum der Habsburgermonarchie auf
der österreichischen Seite die reichsunmittelbare Stadt Triest, die Mark-
grafschaft Istrien und die Gefürstete Grafschaft Görz und Gradiska72 sowie
auf der ungarisch-kroatischen Seite die damalige ungarische Hafenstadt
69 Groenemeyer, Kulturelle Differenz, ethnische Identität, S. 31.
70 Joanna Pfaff-Czarnecka, Zugehörigkeit in der mobilen Welt. Politiken der Veror-
tung, Göttingen 2012, S. 63.
71 Zur Regionalität des österreichisch-ungarischen Küstenlandes siehe u. a. Péter
Techet, Die österreichisch-ungarische Küstenregion. Differenzen, Imaginationen
und imperialer Kontext in einer historischen Landschaft, in: Sabine Jagodzinski
u. a. (Hg.), Regionalität als historische Kategorie. Ostmitteleuropäische Perspekti-
ven, Osnabrück 2019, S. 281–297, hier S. 287ff.
72 Aus dem Österreichischen Küstenland wird das Kronland Gefürstete Grafschaft
Görz-Gradiska in die Analyse nicht einbezogen, Görz-Gradiska wies bezüglich der
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303