Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Seite - 236 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 236 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Bild der Seite - 236 -

Bild der Seite - 236 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Text der Seite - 236 -

236 Ungarisch-Kroatisches Küstenland Den städtischen Diskursen und Konflikten um die katholische Kirche in Fiume / Rijeka lagen zwei Annahmen zugrunde. Was den Konflikt zwischen der »Stadt« und der »Kirche« anbetraf, wurde angenommen, dass der über- wiegend kroatischsprachige Klerus in Fiume / Rijeka und seiner Unterge- meinde Drenova infolge des multiethnischen Charakters der Stadt und sei- ner Umgebung auf Ablehnung in der Bevölkerung gestoßen wäre. Die Kirche wurde dementsprechend als nationaler Akteur wahrgenommen: Wegen der Zugehörigkeit der Stadt zum Bistum Senj wurde die Kirche  – und dies ist die zweite Annahme der damaligen Diskurse  – »kroatisch« und »ländlich« markiert. In den städtischen Diskursen ließen sich mehrere Debatten finden, wo diese Unterschiede bedient und betont wurden. Der in diesem Kapitel geschilderte und analysierte Streit zwischen dem Dorf hoch oben in den Bergen und dem Bistum unten am Meer widerlegte aber diese Annahmen. Das Bistum stand nicht (nur) mit der städtischen Öffentlichkeit im Konflikt, sondern auch mit einem kroatischsprachigen Dorf. Dies beweist gleichzeitig, dass sich die Kirche nicht eindeutig »länd- lich« und »kroatisch« markieren lässt  – weil sie gerade in einer ländlichen und kroatischsprachigen Gegend wie Drenova auf Ablehnung stieß. Der Fall von Drenova kann infolgedessen nicht als Beispiel des makrogeschichtlichen »Nationalitätenkonflikts« zwischen einer (»italienischen«) Stadt und der (»kroatischen«) Kirche, sondern als Fall des Selbstschutzes eines eigenständi- gen Mikrokosmos gelten. Die Dorfbewohner lehnten jegliche Einmischung in ihre eigenständige Lebensweise ab. Wie ein Leserbrief eines Dorfbewoh- ners in der Fiumaner Tageszeitung Il Popolo zeigte, fühlten sich die Dreno- vaer von beiden Seiten (dem Bistum ebenso wie der Stadt) ausgenutzt: Wir, die Pfarrgemeinde in Drenova sind seit vier Monaten ohne Pfarrer. […] In diesem Kampf sind wir, Drenovaer diejenigen, die leiden. Für die Taufen müssen wir nach Fiume [Rijeka] gehen. Wer zahlt die Kutsche? Weder die Priester noch der Stadtma- gistrat, sondern wir.286 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken Die Konflikte in dem ländlichen Hinterland Lika-Krbava sowie der länd- lichen Peripherie städtischer Räume wie Drenova lassen sich schematisch als ein Aufeinandertreffen lokaler Lebensweisen und externer, kontrafaktu- eller Erwartungen zusammenfassen: Kroatischsprachigen Bauern wurden Entscheidungen aufgebürdet  – mal die Einführung einer nicht gewollten 286 Il Popolo, 25.  Dezember 1908 [übersetzt aus dem Italienischen von mir].
zurück zum  Buch Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Umkämpfte Kirche