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49Methode
und Konzepte
den (im Sinne von einer objektiven Eigenschaft), sondern sie wird erst durch
die Repräsentationen (etwa durch die nationalistischen Bezüge) erzeugt.
In der Arbeit wird Identität dementsprechend nicht als Eigenschaft, son-
dern als Ereignis (als situative Prozesse) begriffen. Sie drückt sich situativ
und relativ in den konkreten Handlungen aus. Identität formiert sich wäh-
rend und infolge der Konflikte, aber sie ist nicht die Ursache der Konflik-
te.106 Insofern lagen den Konflikten nicht irgendwelche Identitätskollisionen
zugrunde. Vielmehr formierten sich die Identitäten erst angesichts der Kon-
flikt- und Gewaltmomente. Indem der Fokus dieser Arbeit nah an der loka-
len Ebene angesetzt wird, lassen sich die Akteure jenseits ihrer (selbst-)pro-
pagierten oder wahrgenommen »Gruppenzugehörigkeiten« beobachten
– als
Menschen, die eigene, spezielle Interessen verfolgten. Dass dabei auch auf
»Gruppen« Bezug genommen wurde, beweist nicht die Existenz dieser
Gruppen, sondern die Vorstellungskraft einzelner Akteure.107 Identität ist
also eine Selbst-Interpretation angesichts wechselnder Situationen.108 Somit
lässt sich eine starke Fokussierung auf angeblich vorhandene, geschlossene
Gruppen vermeiden: Einerseits sind die Gruppen (»Völker« usw.) nicht klar
umreißbar und begrenzbar vorhanden. Gruppen (»Identitäten«) stellen viel-
mehr Diskurse dar,109 mit denen die Elitenakteure wie etwa nationalistische
Agitatoren aus den Städten Macht über andere Menschen beanspruchen
können. Andererseits entstehen die Konflikte nicht zwischen unterschiedli-
chen Gruppen, sondern immer zwischen konkreten Menschen.110
1.2.3 Gewalt
In der Arbeit behandele ich Konfliktfälle, in denen verbale Beschimpfun-
gen, Drohungen oder physische (handgreifliche) Gewalt vorkamen. Daher
wird hier kurz erläutert, was in der Arbeit unter Gewalt verstanden wird.
Gewalt ist ein Phänomen, dessen Bedeutung für historische Prozesse nicht
106 Doug McAdam u. a., Dynamics of Contention, Cambridge 2004, S. 141.
107 Auch die Nation entsteht als Gruppe infolge von solchen Vorstellungen; vgl. Ander-
son, Imagined Communities, S.
6f.; Brubaker stellt jedenfalls infrage, ob die Natio-
nen überhaupt Gruppen wären
– er sieht die Imagination nicht nur bei der »Geburt«
der Nation maßgebend, sondern auch in ihrer Existenz; vgl. Rogers Brubaker, Eth-
nicity without Groups, Cambridge 2004, S. 11.
108 Bernd Simon / Amélie Mummendey, Selbst, Identität und Gruppe. Eine sozialpsy-
chologische Analyse des Verhältnisses von Individuum und Gruppe, in: Dies. (Hg.),
Identität und Verschiedenheit. Zur Sozialpsychologie der Identität in komplexen
Gesellschaften, Bern 1997, S. 11–38, hier S. 21.
109 Ruth Wodak u. a., Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frank-
furt a. M. 1998, S. 61.
110 Zu diesem Verständnis siehe Brubaker, Ethnicity without Groups, S. 10ff.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303