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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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185Konflikte im Bistum Senj hielten. Später forderten ca. 200 Menschen vor dem Gemeindehaus die Rück- gabe des Schlüssels und die Entlastung der festgenommenen Personen.51 Don Modrčin erhielt die Schlüssel zurück, die Kirche konnte wieder geöffnet werden  – auch wenn die Einwohner dagegen waren. Nachdem Don Modrčin die Schlüssel wiedererhalten hatte, war es den Menschen noch wichtiger, das Kirchengebäude Tag und Nacht zu »beschützen«. In den folgenden Tagen kamen Hunderte aus dem Dorf und der Gegend vor der Kirche und dem Pfarrhaus zusammen  – sie seien »sehr aufgeregt« gewesen, wie ein staatli- cher Bericht feststellte.52 Als Ende  Mai 1894 der Sekretär des Großgespans von Lika-Krbava das Dorf besuchte, beschrieb er, wie sich vor der Kirche »in überwiegender Mehrheit Frauen« versammelten: Sie tanzten dabei Kolo, den typischen kroatischen Volkstanz.53 Zur gleichen Zeit kam der Gesandte von Bischof Posilović, ein gewisser Don Srdoc, aus dem Nachbardorf Brinje nach Kriviput, um die Gemüter zu beruhigen und dem Volk nochmals die bischöfliche Entscheidung zu erläu- tern. Er war zuvor 17 Jahre lang Pfarrer in Kriviput gewesen und erfreute sich immer noch hoher Beliebtheit unter den Einwohnern.54 Das Verhält- nis zwischen den kroatischen Bauern und ihren Priestern war vielerorts zwiespältig: geprägt von hoher, fast mystischer Achtung und gleichzeitigem Unverständnis gegenüber den neuen (klerikalen oder nationalen) Ideen.55 Weil Don Srdoc in seinem Dorf die Fronleichnamsprozession noch in kro- atischer Sprache zelebriert hatte, begrüßten ihn die Bewohner in Kriviput zuerst als »unseren wahren Priester, der den Gottesdienst nicht glagolitisch [altslawisch] liest«.56 Auch wenn einige Dorfbewohner die Kirche wieder zugesperrt hatten, konnte Don Srdoc sie mit seinem Schlüssel aufmachen. Eine große Menschenmenge folgte ihm hinein. Sie machten aber sofort klar, dass sie keine »vlachische« Messe wollten, sondern eine Messe »in kroati- scher Sprache wie bis jetzt«.57 Als Don Srdoc vor der Messe die bischöf liche Anordnung über die altslawische Liturgiesprache verkündete, verließen fast alle lärmend die Kirche. Nur fünf Dorfbewohner nahmen schließlich am von Don Modrčin in altslawischer Sprache gelesenen Gottesdienst teil. Vor der Kirche versuchte Don Srdoc vergeblich, den aufgeregten Bewohnern noch einmal zu erklären, dass die neue Liturgiesprache nicht »vlachisch« sei. 51 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (29.  Mai 1894), in: Ebd., broj 2845. 52 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 53 Ebd., broj 6589 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 54 Ebd., broj 2845. 55 Petrungaro, Pietre e fucili, S.  160f. 56 Bericht der Gespanschaftsverwaltung (županski oblast) von Lika-Krbava (29.  Mai 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 6589 [übersetzt aus dem Kroati- schen von mir]. 57 Ebd., broj 2845 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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