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185Konflikte
im Bistum Senj
hielten. Später forderten ca. 200 Menschen vor dem Gemeindehaus die Rück-
gabe des Schlüssels und die Entlastung der festgenommenen Personen.51
Don Modrčin erhielt die Schlüssel zurück, die Kirche konnte wieder geöffnet
werden
– auch wenn die Einwohner dagegen waren. Nachdem Don Modrčin
die Schlüssel wiedererhalten hatte, war es den Menschen noch wichtiger, das
Kirchengebäude Tag und Nacht zu »beschützen«. In den folgenden Tagen
kamen Hunderte aus dem Dorf und der Gegend vor der Kirche und dem
Pfarrhaus zusammen – sie seien »sehr aufgeregt« gewesen, wie ein staatli-
cher Bericht feststellte.52 Als Ende Mai 1894 der Sekretär des Großgespans
von Lika-Krbava das Dorf besuchte, beschrieb er, wie sich vor der Kirche »in
überwiegender Mehrheit Frauen« versammelten: Sie tanzten dabei Kolo, den
typischen kroatischen Volkstanz.53
Zur gleichen Zeit kam der Gesandte von Bischof Posilović, ein gewisser
Don Srdoc, aus dem Nachbardorf Brinje nach Kriviput, um die Gemüter zu
beruhigen und dem Volk nochmals die bischöfliche Entscheidung zu erläu-
tern. Er war zuvor 17 Jahre lang Pfarrer in Kriviput gewesen und erfreute
sich immer noch hoher Beliebtheit unter den Einwohnern.54 Das Verhält-
nis zwischen den kroatischen Bauern und ihren Priestern war vielerorts
zwiespältig: geprägt von hoher, fast mystischer Achtung und gleichzeitigem
Unverständnis gegenüber den neuen (klerikalen oder nationalen) Ideen.55
Weil Don Srdoc in seinem Dorf die Fronleichnamsprozession noch in kro-
atischer Sprache zelebriert hatte, begrüßten ihn die Bewohner in Kriviput
zuerst als »unseren wahren Priester, der den Gottesdienst nicht glagolitisch
[altslawisch] liest«.56 Auch wenn einige Dorfbewohner die Kirche wieder
zugesperrt hatten, konnte Don Srdoc sie mit seinem Schlüssel aufmachen.
Eine große Menschenmenge folgte ihm hinein. Sie machten aber sofort klar,
dass sie keine »vlachische« Messe wollten, sondern eine Messe »in kroati-
scher Sprache wie bis jetzt«.57 Als Don Srdoc vor der Messe die bischöf liche
Anordnung über die altslawische Liturgiesprache verkündete, verließen
fast alle lärmend die Kirche. Nur fünf Dorfbewohner nahmen schließlich
am von Don Modrčin in altslawischer Sprache gelesenen Gottesdienst teil.
Vor der Kirche versuchte Don Srdoc vergeblich, den aufgeregten Bewohnern
noch einmal zu erklären, dass die neue Liturgiesprache nicht »vlachisch« sei.
51 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (29. Mai 1894), in: Ebd.,
broj 2845.
52 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
53 Ebd., broj 6589 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
54 Ebd., broj 2845.
55 Petrungaro, Pietre e fucili, S. 160f.
56 Bericht der Gespanschaftsverwaltung (županski oblast) von Lika-Krbava (29. Mai
1894), in: HDA, ZV, Pr., kut. 487, 1962/1894, broj 6589 [übersetzt aus dem Kroati-
schen von mir].
57 Ebd., broj 2845 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303