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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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186 Ungarisch-Kroatisches Küstenland Sie glaubten ihm nicht und meinten verzweifelt und traurig, dass Don Srdoc »bestochen« worden sei.58 Die Menschen verhielten sich den Geistlichen gegenüber immer aggressiver. Bewaffnete Gendarmen sorgten dafür, dass die zwei Priester an diesem Tag nicht angegriffen wurden. Wie ein Bericht schrieb: »bis auf einige Frauen und Mädchen« gingen alle Dorfbewohner letztendlich ruhig nach Hause.59 Anfang  Juni 1894 wurde über weitere Vorfälle aus Kriviput berichtet. Am ersten  Junisonntag versammelten sich 400 Menschen in der Kirche, aber sobald Don Modrčin den Raum betrat, verließen alle das Gebäude. Die Men- schen warteten draußen, solange die altslawische Messe gelesen wurde. Nach dem Ende der Messe kehrten sie in die Kirche zurück  – vielleicht um zu kon- trollieren, ob die heiligen Bilder noch da waren  –, und erst nach einer gewis- sen Zeit gingen sie heim. Die Kirche war während der Messe nicht nur leer, sondern auch still, da einige Dorfbewohner dem Glöckner zuvor mit dem Tod gedroht hatten, falls er an der altslawischen Messe als Meßner teilneh- men würde.60 Der Glöckner hatte schon zuvor Drohungen erhalten: Nach den Informationen der national-klerikal eingestellten Tageszeitung Agramer Tageblatt hätten die Bauern den Glöckner schon früher, Ende  Mai, halbtot geschlagen.61 Der Bericht der örtlichen Bezirkshauptmannschaft bemerkte diesbezüglich, dass »die Lage weiterhin ernst ist«.62 Am 25.  Juni 1894 rückten weitere bewaffnete Kräfte in Kriviput zur »Unterdrückung des Aufstandes« ein.63 Don Modrčin bangte ernsthaft um sein Leben. Die Polizeiberichte schrieben vom persönlich motivierten Hass, der die Beziehung der Bevöl- kerung untereinander und zu ihrem Pfarrer belastet habe: In Kriviput habe Don Modrčin zuvor den Friedhof zugesperrt, was ihm mehrere Dorfbe- wohner, vor allem die Frauen, nicht hätten verzeihen können.64 Die Gründe dafür sind den Quellen nicht zu entnehmen, es kann aber vermutet werden, dass Don Modrčin und einige Frauen schon zuvor ein konfliktbeladenes Ver- hältnis hatten und das Zusperren des Friedhofes einen Racheakt des Pries- ters gegen diese Frauen darstellte. Die staatlichen Behörden empfahlen dem Bistum von Senj, einen neuen Priester nach Kriviput zu schicken, weil Don Modrčin  – unabhängig von der altslawischen Liturgiesprache  – »bei allen 58 Ebd., broj 6589. 59 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 60 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (4.  Juni 1894), in: Ebd., broj 2924. 61 Agramer Tagblatt, 31.  Mai 1894. 62 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (4.  Juni 1894), in: Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 63 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (29.  Mai 1894), in: Ebd., broj 2845 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 64 Ebd., broj 6589.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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