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186 Ungarisch-Kroatisches Küstenland
Sie glaubten ihm nicht und meinten verzweifelt und traurig, dass Don Srdoc
»bestochen« worden sei.58 Die Menschen verhielten sich den Geistlichen
gegenüber immer aggressiver. Bewaffnete Gendarmen sorgten dafür, dass
die zwei Priester an diesem Tag nicht angegriffen wurden. Wie ein Bericht
schrieb: »bis auf einige Frauen und Mädchen« gingen alle Dorfbewohner
letztendlich ruhig nach Hause.59
Anfang Juni 1894 wurde über weitere Vorfälle aus Kriviput berichtet. Am
ersten Junisonntag versammelten sich 400 Menschen in der Kirche, aber
sobald Don Modrčin den Raum betrat, verließen alle das Gebäude. Die Men-
schen warteten draußen, solange die altslawische Messe gelesen wurde. Nach
dem Ende der Messe kehrten sie in die Kirche zurück
– vielleicht um zu kon-
trollieren, ob die heiligen Bilder noch da waren
–, und erst nach einer gewis-
sen Zeit gingen sie heim. Die Kirche war während der Messe nicht nur leer,
sondern auch still, da einige Dorfbewohner dem Glöckner zuvor mit dem
Tod gedroht hatten, falls er an der altslawischen Messe als Meßner teilneh-
men würde.60 Der Glöckner hatte schon zuvor Drohungen erhalten: Nach
den Informationen der national-klerikal eingestellten Tageszeitung Agramer
Tageblatt hätten die Bauern den Glöckner schon früher, Ende Mai, halbtot
geschlagen.61 Der Bericht der örtlichen Bezirkshauptmannschaft bemerkte
diesbezüglich, dass »die Lage weiterhin ernst ist«.62 Am 25.
Juni 1894 rückten
weitere bewaffnete Kräfte in Kriviput zur »Unterdrückung des Aufstandes«
ein.63 Don Modrčin bangte ernsthaft um sein Leben. Die Polizeiberichte
schrieben vom persönlich motivierten Hass, der die Beziehung der Bevöl-
kerung untereinander und zu ihrem Pfarrer belastet habe: In Kriviput habe
Don Modrčin zuvor den Friedhof zugesperrt, was ihm mehrere Dorfbe-
wohner, vor allem die Frauen, nicht hätten verzeihen können.64 Die Gründe
dafür sind den Quellen nicht zu entnehmen, es kann aber vermutet werden,
dass Don Modrčin und einige Frauen schon zuvor ein konfliktbeladenes Ver-
hältnis hatten und das Zusperren des Friedhofes einen Racheakt des Pries-
ters gegen diese Frauen darstellte. Die staatlichen Behörden empfahlen dem
Bistum von Senj, einen neuen Priester nach Kriviput zu schicken, weil Don
Modrčin – unabhängig von der altslawischen Liturgiesprache – »bei allen
58 Ebd., broj 6589.
59 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
60 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (4. Juni 1894), in: Ebd.,
broj 2924.
61 Agramer Tagblatt, 31. Mai 1894.
62 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (4. Juni 1894), in: Ebd.
[übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
63 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (29. Mai 1894), in: Ebd.,
broj 2845 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
64 Ebd., broj 6589.
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Titel
- Umkämpfte Kirche
- Untertitel
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Autor
- Péter Techet
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Abmessungen
- 15.9 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303