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197Konflikte
im Bistum Senj
rei übertönen wollten. Die Agramer Zeitung verschwieg aber dabei, dass der
Aufstand nicht im Interesse der lateinischen, sondern der kroatischsprachi-
gen Messen ausbrach. Dieses Detail ist deswegen wichtig, weil es eindeutig
zeigt: Die lokale Ebene war nicht national indifferent – wie die nationalis-
tisch-oppositionellen Kräfte behaupteten oder die regierungsnahen (ungarn-
freundlichen, madjaronen) Zeitungen hofften –; die Menschen wollten aber
ihre kroatische Sprache und katholische Religion eigensinnig – weder den
nationalistischen noch den madjaronen Diskursen entsprechend – erleben
und beibehalten.
Bezüglich des nationalistischen Vorwurfes, die lokale Bevölkerung sei
rückständig gewesen, ist es auffallend, wie dabei die Präsenz der Frauen her-
vorgehoben wurde. Dies war nicht nur eine Deskription, sondern gleichzeitig
eine Bewertung der Aufstände. In Europa war die Tendenz in den antikle-
rikalen Diskursen anzutreffen, die katholische Kirche zu feminisieren und
dadurch zu marginalisieren.113 Im Falle der Aufstände in Lika-Krbava stell-
ten aber gerade die Gegner des Klerus in den Augen der nationalistischen
Agitatoren die »vor-moderne« Seite dar, welche die nationale Wichtigkeit
der altslawischen Liturgiesprache und überhaupt die Idee einer einheitlichen
Nation noch nicht verstanden habe. Die altslawische Liturgiesprache ließ
sich in der »modernen« Tendenz der Nationalisierung verorten. Die Beto-
nung der Beteiligung von Frauen und Mädchen an den Widerstandsmo-
menten war insofern ein diskursives Mittel, die Widerstände als Ausdruck
ländlicher Rückständigkeit darzustellen. Die Präsenz der Frauen stand für
emotionsgeleitetes Unwissen. Ingrid Bauer spricht bezüglich ähnlicher Phä-
nomene von der »Provinzialisierung der Frauen«.114 Umgekehrt könnte die
Rede von einer gewissen Feminisierung der Provinz sein – die Provinz galt
als rückständig und wurde daher marginalisiert.
Die betonte Rückständigkeit übersetzte sich in den Berichten der nati-
onalistischen Zeitungen in die Aufforderung, das Volk zu belehren. Die
national-oppositionelle Presse (Agramer Tagblatt, Obzor, Hrvatska) betonte
im August 1894, dass »[d]as Volk belehrt werden [muß]«, weil es noch nicht
eingesehen habe, »daß es mit der glagolitischen Liturgie einen Vorzug vor
allen anderen katholischen Völkern der Welt erlangt hat.«115 Diese Bemer-
kungen implizierten nationale Indifferenz. Diese bedeutet – wenn man sie
nicht als analytische Kategorie (vgl. Kapitel 1.1.3), sondern anhand der nati-
113 Zur Feminisierung des Katholizismus, welcher nicht antifeministische Tendenzen,
sondern ein bestimmtes Bild von Frauen, der katholischen Kirche und ihrer Zunei-
gung zueinander zugrunde lagen, siehe u. a. Borutta, Antikatholizismus, S. 372ff.
114 Ingrid Bauer, Welche Zentren?
– Welche Peripherien? Frauen
– Arbeiter
– Provinz.
Oder: Über eine gezielte Abweichung vom Thema, in: Österreichische Zeitschrift
für Geschichtswissenschaften 4 (1993), S. 305–313, hier S. 306f.
115 Agramer Tagblatt, 29. August 1894.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303