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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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201Konflikte im Bistum Senj werden.131 Dieser Vorwurf hatte in Kroatien und besonders in Lika-Krbava eine stark nationalpolitische Konnotation. Die serbische Minderheit galt als ungarnfreundlich und  – aus einer national-kroatischen Perspektive  – »verräterisch«.132 Indem die national-klerikalen Blätter die Aufstände gegen die altslawi- sche Liturgiesprache mit antiserbischem Hass zu erklären versuchten, konn- ten sie die Ereignisse in den Kontext der »Nationalitätenkonflikte« zwischen »Kroaten« und »Ungarn« sowie »Kroaten« und »Serben« rücken. Das natio- nal-oppositionelle Agramer Tagblatt betonte deswegen in seinen Berichten aus Perušić den »Antagonismus«, der zwischen den Katholiken und den Orthodoxen in Lika-Krbava bestanden habe, und behauptete, dass sich die katholische Bevölkerung zurückgedrängt fühle.133 Die nationalistische Dis- kursstrategie zielte diesmal darauf ab, die lokalen Widerstände als Ausdruck nationalistischen Bewusstseins darzustellen. Mit der Fokussierung auf das interkonfessionelle Spannungsverhältnis zwischen katholischen und ortho- doxen Bevölkerungsteilen ließ sich der Stellenwert der altslawischen Litur- giesprache im Sinne eines national-kroatischen Narratives uminterpretieren, als ob die kroatischsprachigen Katholiken nicht die altslawische Liturgie- sprache, sondern die serbische Bevölkerung abgelehnt hätten. Die Angst der lokalen Bevölkerung vor einer »Orthodoxisierung« lässt sich allerdings nicht (nur) als Zeichen antiungarischer oder antiserbischer Selbstverortung verstehen. Die »Gefahr« der »Orthodoxisierung« wurde nicht den serbischsprachigen Bevölkerungsteilen zugeschrieben. Die jugos- lawische Idee, das kroatische und das serbische Volk als Einheit zu denken, oder die Einführung der altslawischen Liturgiesprache wurden nicht serbi- scherseits propagiert und vorangetrieben  – sondern seitens einiger Teile der 131 Hrvatska, 21.  August 1894 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir]. 132 Besonders der ungarische Banus von Kroatien-Slawonien, Károly von Khuen- Hédervary, der zwischen 1883 und 1903 in Zagreb an der Macht war, regierte mit- hilfe der ungarnfreundlichen kroatischen (sog. »madjaronen«) und der serbischen Abgeordneten des Zagreber Parlaments, wo der Anteil der serbischen Abgeordne- ten  – dank des restriktiven Wahlrechts  – überrepräsentiert war. Daneben organi- sierte sich aber auch eine serbische Opposition (Nationale Unabhängigkeitspartei, Radikale Partei usw.), die sich vor allem auf das »Parlament« der serbischen Min- derheit der ganzen ungarischen Reichshälfte (also auch aus Vojvodina), den sog. National-Kirchlichen Kongress konzentrierte, der sich als Sprachrohr der serbi- schen Nationalität und der serbisch-orthodoxen Religion in der Donaumonarchie verstand. Bis zum sog. »Neuen Kurs« (1903), als serbische und kroatische natio- nalliberale Kräfte eine kurzlebige antiösterreichische, proungarische Allianz in der »Fiumaner Resolution« eingingen, wurde die serbische Öffentlichkeit durch Buda- pest als Gegenpol zu kroatischen nationalen Forderungen benutzt; zum prounga- rischen Verhalten serbischer Politik unter Khuen-Héderváry siehe  u. a. Nicholas J. Miller, Between Nation and State. Serbian Politics in Croatia before the First World War, Pittsburgh 1997, S.  36ff. 133 Agramer Tagblatt, 29.  August 1894.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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