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217Kirchenstreit
in der Hafenstadt Fiume / Rijeka
Fiume / Rijeka, Ivan Kukanić, um die Seelsorge des Dorfes zu kümmern.189
Wegen des andauernden Widerstands im Dorf und der Tatsache, dass die
Stadt die Kirchenschlüssel bei sich hielt, konnte Don Kukanić jedoch keine
seelsorgerischen Aufgaben in Drenova wahrnehmen. Die Dorfbewohner
sperrten Don Zigar
– seiner Sicherheit halber
– im Pfarrhaus ein, und vor sei-
nem Haus wurde sogar eine Wache organisiert, weil befürchtet wurde, dass
die kirchliche Obrigkeit ihre Entscheidung, ihn aus dem Dorf zu entfernen,
mit Gewalt durchsetzen werde.190 Vikar Cvetko machte für die eskalierte
Situation die städtische Presse verantwortlich, die das Dorf gegen die Kirche
aufgehetzt habe:
die Drenovaer Gläubigen, ein sonst ruhiges und frommes Volk, angestachelt von
den lügnerischen und tendenziös verzerrten Berichten auf den Versammlungen und
in den Zeitungen, bedrohen den Geistlichen und hindern ihn an seiner priester-
lichen Pflicht…191
Aus dem Dorf reiste eine Delegation in die Stadt, um persönlich gegen die
Absetzung zu demonstrieren. Im Rathaus überreichten die Gesandten dem
Bürgermeister Francesco Vio und dem Budapester Parlamentsabgeordneten
der Stadt, Riccardo Zanella, einen Protestbrief, der von den Politikern der
»Autonomistischen Partei« freilich wohlwollend entgegengenommen wurde.
Danach wollten die Dorfbewohner Stadtpfarrer Kukanić aufsuchen. Sie mar-
schierten daher zum Stadtdom San Vio / Sv. Vid, vor das Pfarrhaus, wo einige
den Zaun vor der Pfarrei entfernten und ins Pfarrhaus einbrechen wollten.
Einige Fiumaner Passanten schlossen sich der Demonstration an und skan-
dierten beleidigende Sprüche gegen Don Kukanić. Die liberale Tageszeitung
Riječki Novi List bemerkte, dass die anwesenden Dorfbewohner Don Kukanić
»in reinem Kroatischen verfluchten«.192 Obwohl die kroatischsprachige
Tageszeitung mit diesem Halbsatz die »italienischen« Ansprüche bezüglich
des Dorfes relativieren wollte – worin sie Recht hatte –, zeigt diese Situation,
wo »kroatische« Bauern in kroatischer Sprache gegen einen »kroatischen«
Priester demonstrieren, dass sich der Konflikt nach nationalen Kategorien
weder verstehen noch erklären lässt.
189 Don Kukanić teilt die diesbezügliche Entscheidung dem Stadtmagistrat mit
(4. August 1908), in: DAR, Magistrato, Op.Sp., D-57-1897 – 17762.
190 La Voce del Popolo, 8. August 1908; La Bilancia, 10. August 1908.
191 Brief von Matej Cvetko an den ungarischen Kultus- und Bildungsminister (1. Sep-
tember 1908): DAR, Gubernij, Pr.Sp., kut. 34, 1908/161 [übersetzt aus dem Kroati-
schen von mir].
192 Riječki Novi List, 11. August 1908 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303