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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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234 Ungarisch-Kroatisches Küstenland Diese Einstellung nationalisierte das Kirchenleben und die kirchlichen Angelegenheiten »von oben her«. Ungarisch-magyarische Priester, die aus Ungarn nach Fiume / Rijeka gingen, empfanden ihre Aufgabe dementspre- chend als eine staatspolitische Mission, in der die Kirche als ein Mittel und Raum für die Propagierung der ungarischen Staatsidee und der kulturellen Magyarisierung zu fungieren hatte. Als Gyula Csóbor 1881 als ungarischer Kaplan und Religionslehrer von Budapest nach Fiume / Rijeka geschickt wurde, bekannte er sich zum ungarischen Nationalismus, und er verstand seine kirchliche Aufgabe vor allem als Dienst im Interesse der ungarischen Nation: In politischer Hinsicht wird immer die ungarische Staatsidee maßgebend für mich sein. […] Ja, ich verstehe in politischer Hinsicht vollkommen meinen erhobenen Beruf, der zuvorderst darin besteht, dass ich die Interessen der ungarischen Nation unter feindlichen Elementen [das heißt in einem kroatischen Bistum  – P. T.], trotz meiner geringen Kraft, vorantreibe.280 In Csóbors Worten schimmerte die ungarische Einstellung durch, Fiume / Rijeka für den aufzubauenden ungarischen Nationalstaat mit kirchlicher Hilfe zu »kolonisieren«. Für die Analyse der lokalen Machtkonstellation zwischen den »Italienern« und den »Kroaten« in Fiume / Rijeka sowie der Einstellung von Budapest gegenüber »seiner« Hafenstadt bietet sich die postkoloniale Lesart ansatzweise gut an.281 Budapest betrachtete die Stadt als Prestigeprojekt im Interesse des ungarischen Nationalstaates.282 Das imperiale Zentrum Budapest hatte infolgedessen nicht nur Präferenzen im lokalen »Nationalitätenkonflikt« wie etwa Wien, sondern es verfolgte in »sei- ner« Hafenstadt  – nach einer kolonialen Logik  – eine eindeutig ungarisch- nationale, auf eine imperiale Beherrschung und nationale Homogenisierung abzielende Linie, welcher sich die örtliche Kirche unterwerfen sollte. Im Kielwasser der Drenova-Affäre intensivierten die ungarische Regie- rung und die italienischsprachige Elite der Hafenstadt wiederum ihre Akti- vitäten im Interesse der Lostrennung der Hafenstadt vom Bistum Senj. Die konkrete Frage der Drenova-Affäre, ob der frühere Priester, Don Zigar, in die Untergemeinde zurückkehren darf, aktivierte längst bestehende nationalpo- litische Diskurse und Ansprüche. Wem gehört der kirchliche Raum? Welche Sprache soll in der Liturgie dominieren? Wie hat sich ein »kroatischer« oder 280 Csóbors Brief an das Kultus- und Unterrichtsministerium in Budapest (13.  Juli 1883), in: DAR, Gubernij, Op.Sp., kut.  69, 1881/1138 [übersetzt aus dem Ungari- schen und Hervorhebung von mir]. 281 Zur allgemeinen postkolonialen Herangehensweise in der habsburgischen Histori- ographie siehe  u. a. Feichtinger, Habsburg (post-)colonial, S.  13. 282 Zucconi, Una città cosmopolita, S.  90.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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