Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Page - 238 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 238 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Image of the Page - 238 -

Image of the Page - 238 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Text of the Page - 238 -

238 Ungarisch-Kroatisches Küstenland aktiver Forderungen. Eine proaktive Handlung unterstützt Ansprüche, »die zuvor noch nicht erhoben wurden«.289 Die Bewohner in den Dörfern von Lika-Krbava oder in Drenova wollten aber keine neue Situation herbeifüh- ren  – sie wollten die bestehende Lage beschützen. Sie wehrten sich gegen die konkurrierenden oder proaktiven Ansprüche der »hohen Politik«. Der Konkurrenzkampf war nicht auf der lokalen Ebene anzutreffen. Was im österreichischen Teil auf der lokalen Ebene ausgetragen wurde, die Kon- kurrenzkämpfe um die lokale Deutungshoheit, verortete sich im ungarisch- kroatischen Teil eine Ebene »höher«, unter den Akteuren der staatlichen, städtischen oder kirchlichen Obrigkeiten. Sie konkurrierten von oben um die lokale Deutungshoheit, während sich die lokale Ebene aktiv gegen diese Ansprüche wehrte. Ich begreife insofern den lokalen Widerstand der Bauern in Perušić, Kri- viput, Klanac (usw.) oder Drenova gegenüber den Homogenisierungen ihres Kirchenlebens nicht als nationale Indifferenz oder vormoderne Rückstän- digkeit, sondern als Abwehrreaktion eines ländlichen Mikrokosmos, der seine nationale »Identität«, Muttersprache, Religion (usw.) nicht nach den externen Erwartungen und Normen der kirchlichen oder staatlichen Obrigkeit oder der nationalen Agitatoren erleben wollte. Die Dorfbewohner in Kriviput, Perušić (usw.) oder Drenova strebten im Konflikt nicht die Änderung der Herrschaftsstrukturen (oder der Herrschaftsdiskurse) an. Daher lässt sich das Konzept des opportunistischen »Eigensinns« der deutschen Arbeiter, wie Alf Lüdtke es entwickelte, auch auf die lokale »Welt« (svjet) gut anwenden. Im Falle des bäuerlichen Widerstands handelte es sich ebenso um »Anstrengun- gen zur Distanz gegenüber Zumutungen »von oben« wie von »nebenan««.290 Der Wunsch, keine Änderungen erdulden zu müssen, war nicht national- oder kirchenpolitisch motiviert  – indem sich aber der Wunsch gegen nati- onal- und kirchenpolitische Vorstellungen der »großen Politik« richtete, geriet er in ein Diskursfeld, in dem die lokalen Lebensweisen nach externen Kategorien bezeichnet wurden. In diesem Moment wurden die Dorfbewoh- ner zu einfachen Objekten unterschiedlicher städtischer Elitediskurse. Die Dorfbewohner waren nicht in der Machtposition, sich und ihre Wünsche dagegen zu artikulieren: Ihr Kirchenleben war von kirchlichen Entscheidun- gen bestimmt (etwa mit der Einführung einer nicht gewollten Liturgiespra- che) und von nationalistischen Diskursen (etwa mit den Vorwürfen, national indifferent zu sein) beschrieben. 289 Tilly, Hauptformen kollektiver Aktionen, S.  156. 290 Alf Lüdtke, Wo blieb die »rote Glut«? Arbeitererfahrungen und deutscher Faschis- mus, in: Ders. (Hg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrun- gen und Lebensweisen, Frankfurt a. M. / New York 1989, S.  224–282, hier S.  262.
back to the  book Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Umkämpfte Kirche