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239Fazit
Nach einer dichotomischen Logik des Nationalismus erschienen solche
eigensinnigen, unentschiedenen »Grauzonen« oder »In-Between«-Situati-
onen als indifferente, rückständige, nichtreflektierte, vormoderne Haltun-
gen und Handlungen.291 Stefano Petrungaro zeigt jedoch in seinen Fallstu-
dien zu den kroatischen Bauernaufständen auf, dass Momente, welche als
Ambivalenz, Indifferenz oder sogar Unwissen etwa bezüglich der nationalen
Symbolik galten, nur aus der Perspektive des »Zentrums« unverständlich
waren.292 Indem die Menschen religiös oder national indifferent beschrieben
werden, wird ihnen das Recht abgesprochen, auf ihre Art und Weise kroa-
tisch und katholisch sein zu dürfen. Wie die Dorfbewohner ihr Kroatisch-
und Katholisch-Sein in Lika-Krbava und Drenova erlebten, entsprach nicht
den klerikalen oder nationalistischen, normativen, mit Macht ausgestatteten
Vorstellungen und Erwartungen. Eigenständige Lebensweisen wurden mit
dem Vorwurf, nicht katholisch genug und / oder nicht kroatisch genug zu
sein, marginalisiert und stigmatisiert. In den Konflikten gegen die kirchli-
che / staatliche Obrigkeit lässt sich eine lokale Ebene erkennen, die sich ihrer
nationalen und religiösen Zugehörigkeit zwar bewusst war, sich aber nach
nationalistischen Kategorien oder klerikalen Erwartungen nicht verorten
und verändern wollte.
Wenn allerdings ein bestehender Zustand schon gewalttätig verteidigt wer-
den muss, ist es kein gutes Zeichnen für die Erfolgschancen der Ansprüche:293
Die Gewalt ist in dieser Hinsicht vielmehr ein Zeichen der Verzweiflung –
und der Marginalisierung. Auch im Falle der Dörfer in Lika-Krbava oder von
Drenova konnte sich der reaktive Anspruch nicht durchsetzen: Die altslawi-
sche Liturgiesprache wurde letztendlich eingeführt bzw. der beliebte Priester
Don Zigar konnte nicht nach Drenova zurückkehren
– in allen Fällen ebbten
die gewaltvollen Proteste rasch ab. Der proaktive Anspruch der kirchlichen
Obrigkeit, die altslawische Liturgiesprache in Lika-Krbava einzuführen bzw.
einen neuen Priester nach Drenova zu schicken, erwies sich als stärker und
effizienter. Wie in Kapitel 5.2.1 zu zeigen sein wird: Die Erfolglosigkeit lässt
sich mit der in Ungarn vorherrschenden Machtstruktur erklären.
291 Darüber, dass eine gewisse nationale Einstellung von Bauern nach den nationalisti-
schen Diskursen urbaner Akteure als indifferent erscheinen kann, siehe an latein-
amerikanischen Beispielen Florencia E. Mallon, Peasant and Nation. The Making
of Postcolonial Mexico and Peru, Berkeley u. a. 1995, S. 3ff.
292 Stefano Petrungaro, Popular Protest against Hungarian Symbols in Croatia
(1883–1903). A Study in Visual History, in: Cultural and Social History 13 (2016),
S. 503–520, hier S. 508.
293 Tilly u. a., The Rebellious Century, S. 284.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303