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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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239Fazit Nach einer dichotomischen Logik des Nationalismus erschienen solche eigensinnigen, unentschiedenen »Grauzonen« oder »In-Between«-Situati- onen als indifferente, rückständige, nichtreflektierte, vormoderne Haltun- gen und Handlungen.291 Stefano Petrungaro zeigt jedoch in seinen Fallstu- dien zu den kroatischen Bauernaufständen auf, dass Momente, welche als Ambivalenz, Indifferenz oder sogar Unwissen etwa bezüglich der nationalen Symbolik galten, nur aus der Perspektive des »Zentrums« unverständlich waren.292 Indem die Menschen religiös oder national indifferent beschrieben werden, wird ihnen das Recht abgesprochen, auf ihre Art und Weise kroa- tisch und katholisch sein zu dürfen. Wie die Dorfbewohner ihr Kroatisch- und Katholisch-Sein in Lika-Krbava und Drenova erlebten, entsprach nicht den klerikalen oder nationalistischen, normativen, mit Macht ausgestatteten Vorstellungen und Erwartungen. Eigenständige Lebensweisen wurden mit dem Vorwurf, nicht katholisch genug und / oder nicht kroatisch genug zu sein, marginalisiert und stigmatisiert. In den Konflikten gegen die kirchli- che / staatliche Obrigkeit lässt sich eine lokale Ebene erkennen, die sich ihrer nationalen und religiösen Zugehörigkeit zwar bewusst war, sich aber nach nationalistischen Kategorien oder klerikalen Erwartungen nicht verorten und verändern wollte. Wenn allerdings ein bestehender Zustand schon gewalttätig verteidigt wer- den muss, ist es kein gutes Zeichnen für die Erfolgschancen der Ansprüche:293 Die Gewalt ist in dieser Hinsicht vielmehr ein Zeichen der Verzweiflung  – und der Marginalisierung. Auch im Falle der Dörfer in Lika-Krbava oder von Drenova konnte sich der reaktive Anspruch nicht durchsetzen: Die altslawi- sche Liturgiesprache wurde letztendlich eingeführt bzw. der beliebte Priester Don Zigar konnte nicht nach Drenova zurückkehren  – in allen Fällen ebbten die gewaltvollen Proteste rasch ab. Der proaktive Anspruch der kirchlichen Obrigkeit, die altslawische Liturgiesprache in Lika-Krbava einzuführen bzw. einen neuen Priester nach Drenova zu schicken, erwies sich als stärker und effizienter. Wie in Kapitel  5.2.1 zu zeigen sein wird: Die Erfolglosigkeit lässt sich mit der in Ungarn vorherrschenden Machtstruktur erklären. 291 Darüber, dass eine gewisse nationale Einstellung von Bauern nach den nationalisti- schen Diskursen urbaner Akteure als indifferent erscheinen kann, siehe an latein- amerikanischen Beispielen Florencia E. Mallon, Peasant and Nation. The Making of Postcolonial Mexico and Peru, Berkeley  u. a. 1995, S.  3ff. 292 Stefano Petrungaro, Popular Protest against Hungarian Symbols in Croatia (1883–1903). A  Study in Visual History, in: Cultural and Social History 13 (2016), S.  503–520, hier S.  508. 293 Tilly  u. a., The Rebellious  Century, S.  284.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Titel
Umkämpfte Kirche
Untertitel
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Autor
Péter Techet
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Abmessungen
15.9 x 23.5 cm
Seiten
310
Schlagwörter
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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