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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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245Nationalitätenkonflikt etwa Bischof Flapp in Istrien, Don Corazza in Torre / Tar oder Don Zigar in Drenova, wurden nationalistisch beschuldigt. Der Rekurs auf die »Nation« war also ein gut bespielbares Diskursmittel der intraethnischen Auseinan- dersetzungen.9 Die Handlungen nationalistischer Akteure richteten sich dabei nicht gegen Menschen anderer Nationalität, sondern vielmehr  – wie Pieter Judson und Tara Zahra feststellen  – gegen die große Mehrheit von Menschen, die sich nicht nach den Erwartungen nationalistischer Agitatoren verorteten und verhielten.10 Die Konflikte bestanden insofern nicht zwischen den »Völkern«, also zwi- schen den »nationalen Zugehörigkeiten«  – davon zeugt auch die Tatsache, dass es in keinem der geschilderten Konfliktfälle zu interethnischen Gewalt- akten kam  –, sondern zwischen den lokalen Selbstverortungen und den makropolitischen Diskursen, die diese Selbstverortungen von oben her und von außen her deuteten. Auch wenn etwa Istrien oder das Ungarisch-Kroati- sche Küstenland als Kampfplatz nationaler Positionierungen galt  – zwischen »Italienern« und »Kroaten« / »Slowenen« in Istrien oder zwischen »Kroaten« und »Serben« in Lika-Krbava  –, trugen sich die geschilderten Konflikte nicht unter den Bewohnern unterschiedlicher Muttersprache / Nationalität aus. Die italienischsprachigen Katholiken in Istrien lehnten zwar einige südslawische Priester  – aufgrund ihres persönlichen Lebensstils oder ihrer politischen Einstellung  – ab, aber sie attackierten nicht, wie es der Logik eines »Natio- nalitätenkonfliktes« entspräche, die südslawischen Kirchgänger, mit denen sie übrigens oft dieselbe Kirche und / oder denselben Gottesdienst besuchten. Die Konflikte waren daher vertikal: zwischen der lokalen Ebene und den Priestern / der kirchlichen Obrigkeit. Ähnliches lässt sich im Ungarisch-Kro- atischen Küstenland erkennen: Auch wenn die kroatischsprachigen Kirch- gänger in Lika-Krbava Angst vor einer Orthodoxisierung hatten, griffen sie nicht die serbischsprachigen Orthodoxen an, sondern die kroatischsprachi- gen, katholischen Vertreter der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit. Und auch die kroatischsprachigen Bewohner von Drenova gerieten nicht mit der italienischsprachigen Stadtbevölkerung in Konflikt, sondern vielmehr mit Klerikalen, die kroatischsprachig waren. 9 Nancy M. Wingfield, Introduction, in: Dies. (Hg.), Creating the Other, S.  4; Pieter Judson, Constructing Nationalities in East Central Europe. Introduction, in: Ders. / Marsh L. Rozenbilt (Hg.), Constructing Nationalities in East Central Europe, Oxford / New York 2005, S.  1–16, hier S.  3. 10 Ders. / Tara Zahra, Introduction, in: Austrian History Yearbook  43 (2012), S.  21–27, hier S.  25.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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