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245Nationalitätenkonflikt
etwa Bischof Flapp in Istrien, Don Corazza in Torre / Tar oder Don Zigar in
Drenova, wurden nationalistisch beschuldigt. Der Rekurs auf die »Nation«
war also ein gut bespielbares Diskursmittel der intraethnischen Auseinan-
dersetzungen.9 Die Handlungen nationalistischer Akteure richteten sich
dabei nicht gegen Menschen anderer Nationalität, sondern vielmehr – wie
Pieter Judson und Tara Zahra feststellen – gegen die große Mehrheit von
Menschen, die sich nicht nach den Erwartungen nationalistischer Agitatoren
verorteten und verhielten.10
Die Konflikte bestanden insofern nicht zwischen den »Völkern«, also zwi-
schen den »nationalen Zugehörigkeiten« – davon zeugt auch die Tatsache,
dass es in keinem der geschilderten Konfliktfälle zu interethnischen Gewalt-
akten kam –, sondern zwischen den lokalen Selbstverortungen und den
makropolitischen Diskursen, die diese Selbstverortungen von oben her und
von außen her deuteten. Auch wenn etwa Istrien oder das Ungarisch-Kroati-
sche Küstenland als Kampfplatz nationaler Positionierungen galt
– zwischen
»Italienern« und »Kroaten« / »Slowenen« in Istrien oder zwischen »Kroaten«
und »Serben« in Lika-Krbava
–, trugen sich die geschilderten Konflikte nicht
unter den Bewohnern unterschiedlicher Muttersprache / Nationalität aus. Die
italienischsprachigen Katholiken in Istrien lehnten zwar einige südslawische
Priester – aufgrund ihres persönlichen Lebensstils oder ihrer politischen
Einstellung – ab, aber sie attackierten nicht, wie es der Logik eines »Natio-
nalitätenkonfliktes« entspräche, die südslawischen Kirchgänger, mit denen
sie übrigens oft dieselbe Kirche und / oder denselben Gottesdienst besuchten.
Die Konflikte waren daher vertikal: zwischen der lokalen Ebene und den
Priestern / der kirchlichen Obrigkeit. Ähnliches lässt sich im Ungarisch-Kro-
atischen Küstenland erkennen: Auch wenn die kroatischsprachigen Kirch-
gänger in Lika-Krbava Angst vor einer Orthodoxisierung hatten, griffen sie
nicht die serbischsprachigen Orthodoxen an, sondern die kroatischsprachi-
gen, katholischen Vertreter der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit. Und
auch die kroatischsprachigen Bewohner von Drenova gerieten nicht mit der
italienischsprachigen Stadtbevölkerung in Konflikt, sondern vielmehr mit
Klerikalen, die kroatischsprachig waren.
9 Nancy M. Wingfield, Introduction, in: Dies. (Hg.), Creating the Other, S. 4;
Pieter Judson, Constructing Nationalities in East Central Europe. Introduction,
in: Ders. / Marsh L. Rozenbilt (Hg.), Constructing Nationalities in East Central
Europe, Oxford / New York 2005, S. 1–16, hier S. 3.
10 Ders. / Tara Zahra, Introduction, in: Austrian History Yearbook 43 (2012), S. 21–27,
hier S. 25.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303