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247Nationalitätenkonflikt
Indifferenz« als »a local distrust of outsiders«.13 Die Indifferenz der lokalen
Akteure manifestierte sich insofern nicht gegenüber ihren ethnisch-nationa-
len »Identitäten«, derer sie sich bewusst waren, sondern vielmehr gegenüber
den externen Erwartungen und Einmischungen. Diese Einstellung lässt sich
im Sinne des arbeits- und alltagsgeschichtlichen Konzepts von Alf Lüdtke als
»eigensinnig« beschreiben;14 die Eigensinnigkeit der lokalen Akteure drückte
sich auch in Bezug auf ihre religiösen und nationalen Praktiken, Identifizie-
rungen aus. Eigensinniges Handeln geht nicht aus eindeutigen, gruppierba-
ren und klar kategorisierbaren Eigenschaften (»südslawisch«, »katholisch«)
hervor, sondern es stellt eine Praxis dar, welche gleichzeitig (angesichts der
Erwartungen) normabweichend, (angesichts der sozialen Dynamik) proak-
tiv / reaktiv und (angesichts ihrer Wirkung) punktuell-momentan ist.15
Die eigensinnigen Akteure konnten sich gleichzeitig je nach den unter-
schiedlichen Situationen imperial, religiös, national, sprachlich, lokal, par-
teipolitisch und / oder klassenbestimmt verorten.16 Auch die Ethnizität ist
eine historisch bestimmte, situativ anwendbare »mutable strategy«17 wie
alle anderen »Identitätsangebote«, welche die lokalen Akteure je nach ihrem
Interesse situativ und strategisch-opportun einsetzen bzw. benutzen konn-
ten. Nationalismus und nationale Indifferenz waren Elemente, die auf der
lokalen Ebene gleichzeitig das Alltagsleben charakterisieren konnten. Jakub
Beneš stellt bezüglich der ethnisch-nationalen Züge der böhmischen Arbei-
terbewegung fest, dass sich die Arbeiter und Arbeiterinnen weder ständig
politisch (national) bewusst noch ständig politisch (national) indifferent
identifizierten.18 Die Binarität der nationalen Indifferenz (»entweder natio-
nalistisch oder national indifferent«) lässt sich demzufolge in einer Gradua-
lität auflösen, welche die unterschiedlichen Akzeptanz- und Ablehnungsstu-
fen gegenüber externen Erwartungen hervorhebt.19
13 Van Ginderachter / Fox, Introduction, S. 8.
14 Zum Konzept siehe u. a. Lüdtke, Eigen-Sinn, S. 9–14.
15 Belinda Davis u. a., Einleitung, in: Dies. (Hg.), Alltag, Erfahrung, Eigensinn. His-
torisch-anthropologische Erkundungen, Frankfurt a. M. / New York 2008, S. 11–28,
hier S. 18.
16 Daher lassen sich konkrete Handlungen nicht in der Frage nach einer starren Iden-
tität, sondern vielmehr in der Frage nach der wechselbaren und situativen Loyalität
erfassen und beschreiben; vgl. Jana Osterkamp / Martin Schulze Wessel, Textu-
ren von Loyalität. Überlegungen zu einem analytischen Begriff, in: Geschichte und
Gesellschaft 46 (2016), S. 553–573, hier S. 560, 565ff.
17 Jeremy MacClancy, At Play with Identity in the Basque Language Arena, in: Sharon
MacDonald (Hg.), Inside European Identities. Ethnography in Western Europe,
Providence RI 1993, S. 84–97, hier S. 85.
18 Beneš, Workers and Nationalism, S. 243.
19 Egry, Etnicitás, identitás, politika, S. 36f.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303