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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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258 Ausblick gezwungen, sich ethnisch-national eindeutig zu positionieren  – und zwar im Rahmen einer Nationalstaatlichkeit, wo diese Positionierung mit staatlichen Vor- oder Nachteilen, sogar möglichen Repressionen, gesellschaftlichen Aus- grenzungen und Stigmatisierungen einherging und einhergeht. Menschen, die sich in ihren multiplen Identitäten im imperialen Rahmen der Habsbur- germonarchie gut verorten konnten, gerieten somit in Situationen, in denen ihre Lebensweise immer mehr von staatlicher Seite infrage gestellt und bedroht wurde. Auch wenn Robert Musil das Habsburgerreich sarkastisch als »ein Land für Genies« auffasste und den Grund seines Scheiterns eben darin erblickte,3 konnten sich viele »einfache« Menschen in seinem Rahmen einrichten. Die in dieser Arbeit dargestellten Konflikte zeigten ebenso gesell- schaftliche Dynamiken, welche durch das Imperium vielmehr ermöglicht als erstickt wurden. Die Geschichte von Menschen, die sich in lokalen Konfliktfällen und Gewaltmomenten behaupteten oder bewährten, ist eher eine Geschichte der Verlierer. Nicht ihre Interessen und Ziele, sondern jene der in der Arbeit kri- tisierten nationalistischen Agitatoren bestimmten das 20.  Jahrhundert. Die Geschichte wird, besonders im posthabsburgischen Ostmitteleuropa, oft als Geschichte der Nationen und ihrer Siege rückwärts erzählt.4 Dabei stellt sich die Frage, wo die Akteure meiner Arbeit vorzufinden sind. Einige gelangten freilich in das Pantheon der jeweiligen Nationen, weil die von ihnen ange- stachelten Konflikte als »Erwachen der Nation« erinnert und erzählt wer- den. All die Menschen jedoch, die ihren Glauben oder ihre Muttersprache im imperialen Rahmen erleben konnten und die in ihren Konflikten die loka- len, aber nicht die staatlichen Verhältnisse verändern wollten, werden dabei ausgeklammert und vergessen. Siege werden erinnerungs- und geschichts- politisch aufrechterhalten  – insofern gehört die von Siegern geschriebene Geschichte in die Politik. In der longue durée zeigen sich Aspekte, die in einem konkreten historischen Moment als überholt erscheinen, aber »aus der Geschichte« dennoch nicht wegzuschaffen sind.5 Verlierer können in der Geschichte wieder zu Wort kommen.6 In der Historiographie sowie der Erin- nerungspolitik der posthabsburgischen Gesellschaften  – eher auf den gesell- schaftlichen, als auf den staatlichen Ebenen  – erscheinen die vergessenen 3 Zitiert nach der Ausgabe: Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften. Erstes und Zweites Buch, Hamburg 2014, S.  35. 4 Corine Defrance / Catherine Horel, Réalités, perceptions et usages de la défaite en Europe, in: Dies.  u. a. (Hg.), Vaincus! Histoires des défaites, Paris 2016, S.  9–28, hier  S.  16f. 5 Reinhard Koselleck, Erfahrungswechsel und Methodenwechsel. Eine historisch- anthropologische Skizze, in: Ders., Zeitschichten. Studien zur Historik. Mit einem Beitrag von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M. 2003, S.  27–77, hier S. 67ff. 6 Matthieu Jestin / François-Xavier Nérard, Le temps des défaites, in: Defrance  u. a., Vaincus!, S.  311–326, hier S.  325f.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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