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ihn von Max Reinhardt verfasstes Empfehlungsschreiben. Diese Schriftstücke
dienen als Beleg für die eigene damalige Situa tion bzw. die eigenen Leistungen,
vor allem das Empfehlungsschreiben wirkt, als ob sich Lothar seiner eigenen
Bedeutung und seines eigenen Könnens selbst versichern müsste oder als ob
er sie den Lesern nur auf diese Weise plausibel und beweiskräftig vor Augen
führen könnte. Die Ausschnitte aus Feuilletons, Reden, Essays und anderen
Publika tionen, die Selbstzitate also, scheinen in ebendiese Richtung zu zielen.
Lothars Autobiographie ist somit, wie manche seiner Briefe, kritisch zu hin-
terfragen. Dass er seine Memoiren als Mittel der Selbststilisierung,15 als »nach-
gebesserte Beschreibung des eigenen Lebens« 16 nutzt, ist weder verwunder lich,
noch stellt diese autobiographische Inszenierung Lothars ein Unikum dar:
Die Autobiographie als widerständiges Medium stellt die literarische Biographie vor
eine Herausforderung: Sie verschleiert, weicht aus und ist selbstreferentiell. Solche
Formen der Autobiographie finden wir bei Autorinnen und Autoren, die sehr bewusst
eine Spur legen, die ihr Leben im Hinblick auf eine potentielle Biographie konstru-
ieren und damit versuchen, der Biographin zuvorzukommen.17
Ernst Lothar zählt offenbar zu diesen Autoren.18 Er legt seine Autobiographie zwar
durchaus als Rechenschaftsbericht an,19 ist sich auch der Gefahr der Verschleie-
rung bewusst und unterstreicht sein Bemühen um Wahrheit, jedoch gilt für solche
Bekenntnisbücher wohl generell: »[D]ie Verfasser solcher Beichten schreiben in
erster Linie, um nicht zu beichten, um nichts von dem zu verraten, was sie wissen.
Gerade wenn sie tun, als wollten sie jetzt mit der Sprache herausrücken, gilt es auf
der Hut zu sein, dann fängt näm
lich die Schönfärberei an.« 20 Doch auch Texte im
Grenzbereich zwischen romanhafter Fik
tion und Autobiographie können einiges
über deren Verfasser aussagen:
15 Vgl. dazu Bernhard Fetz: Schreiben wie die Götter. Über Wahrheit und Lüge im Biographi-
schen; ders.: Die vielen Leben der Biographie.
16 Hermione Lee: Literarische Biographien und widerspenstige Autobiographinnen und Auto-
biographen, S. 73.
17 Ebd., S. 63.
18 Vgl. Brief von EL an AG. Wien, 23. April 1960. WBR, ZPH 922a.
19 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens. Erinnerungen und Ergebnisse. [2. Aufl.] Hamburg, Wien:
Zsolnay 1961, S. 13.
20 Albert Camus: Der Fall. Roman. Aus dem Franzö
sischen von Guido G. Meister. 37. Auflage.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2004, S. 100.
Einleitung 13
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478