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Cotta nahm das Versbuch nicht in sein Verlagsprogramm auf, es erschien 1910
unter dem Titel Der ruhige Hain bei Reinhard Piper in München.16 Manch ein
Leser nahm Lothars Gedichtband als von Rilke, Camill Hoffmann oder Richard
Schaukal beeinfusst wahr,17 seine Gedichte trügen »den Stempel abgeklärter
Künstlerschaft« 18. Talent attestierten die Kritiker Lothar allesamt (»Man wird
sich den Namen Ernst Lothar wohl merken müssen.«),19 gleichzeitig verliehen
sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass, »[w]enn einst durch die Wipfel seines ruhi-
gen Haines der heiße Föhn brausen wird, […] des jungen Lyrikers Kunst von
solchen Stürmen die rechte Weihe empfangen« 20 würde.
Durch Lesungen und Lyrikabende in Wien und Brünn versuchte Lothar, ein
breiteres Publikum anzusprechen.21 Im Frühjahr 1911 las er auf Einladung der
Lese- und Redehalle deutscher Studenten im Festsaal des Niederösterreichi-
schen Gewerbevereins aus seinen Gedichten und Prosaarbeiten vor, darunter das
Fragment des unveröffent lichten Romans Der Strom, den der Piper Verlag zwar
als »in Vorbereitung« ankündigte, aber nie publizierte.22 Auch die Erzählung
Der gefesselte Weg stellte er hier vor. Diese Novelle, die bereits in der Münch-
ner Allgemeinen Zeitung erschienen war, fasste er gemeinsam mit neun weite-
ren zu einem Buch zusammen, es erschien 1912 unter dem Titel Die Einsamen
bei Piper.23 Manche empfanden die hier versammelten Novellen als »ziem lich
geräuschlos«, andere wiederum als »bunt« und »von einer feurigen Phantasie
aufgerüttelt«. Glätte und Konstruiertheit mancher Erzählungen wurden von
einigen Kritikern bemängelt, zugleich die formale Könnerschaft und sprach
liche
Gewandtheit Lothars gelobt und ihm ein »allem Anschein nach entwicklungs-
fähige[s] Talent« bescheinigt.24
16 EL: Der ruhige Hain. Ein Gedichtbuch. München, Leipzig: Piper 1910. 155 S.
17 Die Schöne Literatur, 4. 11. 1911, S. 42; Deutsch- Österreichische Literaturgeschichte. Bd. 4,
S. 1377.
18 Breslauer Morgenzeitung, zitiert nach der Verlagswerbung in Lothars Österreichischen Schriften
(1916).
19 Vgl. Die Zukunft, 81 (1912), S. 408; Neue Freie Presse, 23. 4. 1911, S. 34; Pester Lloyd, 13. 11. 1910,
S. 36.
20 Wiener Abendpost, 9. 11. 1910, S. 5.
21 Brünner Tagesbote, 15. 10. 1910, S. 4 und 24. 10. 1910, S. 4.
22 Wiener Abendpost, 3. 3. 1911, S. 4.
23 EL: Die Einsamen. Novellen. München, Leipzig: Piper 1912. 222 S.
24 Alfred Maderno: Die deutschösterreichische Dichtung der Gegenwart, S. 209; Pester Lloyd,
17. 3. 1912, S. 35; Wiener Abendpost, 3. 4. 1912, S. 2 f.; Allgemeine Zeitung (München), 14 – 26
(1912), S. 280. 1890 – 1925: Literarische
Nachwuchshoffnung30
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478