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Kurz darauf rückte er als Einjährig- Freiwilliger bei seinem Kavallerieregi-
ment, dem k. u. k. Dragonerregiment Nr. 6, ein.31
1915, im zweiten Kriegsjahr, erschien Lothars Gedicht Italien in einer Aufage
von 2000 Stück im Wiener Kamönenverlag,32 der sich damals auf die Heraus-
gabe von Kriegsgedichten spezialisiert zu haben scheint.33 Das Büchlein war um
20 Heller käuf
ich zu erwerben, der Erlös kam der Kriegsopferfürsorge zugute.
Auf fünf Seiten kleidet Lothar seine Wut und Enttäuschung über Italiens Ver-
halten während des Kriegs in Verse (»Es war ein Volk, es hatte Menschenwürde
nicht, es nannte sich Italien.«), war es doch im Mai 1915 an der Seite der Alliier-
ten in den Ersten Weltkrieg eingetreten (»Intervento« 34), hatte sich also nicht
an die Dreibunderklärung von 1882 gehalten. In elf Strophen von unterschied-
licher Länge spricht Lothar davon, dass Italien an Österreich-
Ungarn den »seit
Weltenanfang, Menschenanfang ungeheuersten Verrat« begangen habe, indem
es den zwischen den beiden Völkern geschlossenen »Treuevertrag« gebrochen,
sich hinter Lügen verschanzt, »heim
lich das längst geschärfte Schwert« gezogen
und es »dem Bruder in die offne Brust« gestoßen habe.
Im darauffolgenden Jahr machte sich bei ihm ein Gesinnungswandel bemerk-
bar; sein 1916 bei Piper in München erschienenes Essaybuch Österreichische
Schriften. Weltbürger liche Betrachtungen zur Gegenwart 35 wendete sich »gegen
die Kriegsverblendung« 36 und stellte einen »wohldurchdachten, überna
tionalen
Appell an Toleranz, Mäßigung, gegenseitiges Verständnis und Respekt auch
während des Krieges« 37 dar. Manche dieser Essays waren bereits an anderer
Stelle erschienen, so etwa Lothars Entgegnung auf die Angriffe eng lischer Dich-
ter gegen Österreich.38 Einige dieser Aufsätze, so Rezensenten, würden nur »die
31 Über Ernst Lothars Militärzeit ist nichts bekannt, da in den zuständigen Archiven keinerlei
diesbezüg liche Dokumente erhalten geblieben sind. Schrift liche Auskunft von Mag. Josef Žikeš
vom Vojenský ústřední archiv Praha. Prag, 21. Januar 2010. – Auch Lothar selbst hüllt sich über
seinen Kriegseinsatz in seiner Autobiographie in Schweigen.
32 EL: Italien. 2. Tsd. Wien, Leipzig: Kamönenverlag 1915. 5 S.
33 Vgl. dazu auch Murray G. Hall: Das Buch als ›Bombengeschäft‹, S. 141.
34 Vgl. dazu Holger Afflerbach: Vom Bündnispartner zum Kriegsgegner.
35 EL: Österreichische Schriften. Weltbürger liche Betrachtungen zur Gegenwart. München, Leip-
zig: R. Piper & Co. Verlag 1916. 91 S.
36 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 39.
37 Donald G. Daviau und Jorun B. Johns: Ernst Lothar, S. 525.
38 EL: Entgegnung auf die Angriffe eng
lischer Dichter gegen Österreich. In: Österreichische
Rundschau. Deutsche Kultur und Politik, 41 (1914), S. 318 – 324.
1890 – 1925: Literarische
Nachwuchshoffnung32
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478