Seite - 40 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
bekommen.71 Der Gesundheitszustand der Bevölkerung bot Anlass zur Sorge,
grassierte im Mai des Jahres doch eine Tuberkulose-
Epidemie (»morbus vien-
nensis«), 1918 hatte die Spanische Grippe Österreich heimgesucht. Die Zahl
der Arbeitslosen stieg sprunghaft an. Vor diesem Hintergrund startete Lothars
Vorgesetzter, der österreichische Bundesminister für Handel und Verkehr Hans
Schürff, 1923 die »Notstandsak
tion Dr. Schürff« 72, eine Spendensammlung, an
der sich zahlreiche Organisa tionen beteiligten, darunter die Österreichische
Künstlerhilfe und der seit 1859 bestehende liberale Journalisten- und Schrift-
stellerverein Concordia, dessen Mitglied Lothar war.73
Im Sommer 1919 unternahm Lothar einen erneuten Versuch, eines seiner
Werke bei Cotta unterzubringen. Er bot dem Verlag »ein Prosabuch« mit dem
Titel Unsere Straße an, das acht »moderne Novellen zu Gassenschildern« enthielt.74
Einige Tageszeitungen und Monatszeitschriften 75 hatten die Novellen zu diesem
Zeitpunkt zum Vorabdruck gebracht bzw. erworben. In dem Begleitschreiben zu
dem Manuskript spricht Lothar von der Arbeit an einem neuen Roman (»zum
Teile entworfen, zum Teile bereits vollendet«), der »vermöge seines Stoffes wohl
die Absatzziffer eines ›Feldherrn‹ weit überschreiten dürfte« 76. Cotta aber erach-
tete Lothars Novellensammlung als für das Verlagshaus »wenig geeignet«, ebenso
wie das Romanprojekt, das der Verlag zunächst »mit Interesse« zur Kenntnis
genommen hatte.77 Da Lothar davon spricht, den Roman teilweise fertiggestellt
zu haben, und die definitive Absage von Cotta in den August 1919 fiel, kann
davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um den Roman Irr licht der Welt
handelt, den er nach zwei Jahren Arbeit Ende 1920 vollendete.
71 Vgl. EL: Beamtendasein. In: Neues Wiener Tagblatt, 12. 11. 1920, S. 2 f.
72 Vgl. Murray G. Hall: Robert Musil und der Schutzverband deutscher Schriftsteller in Öster-
reich, S. 205.
73 Wann Ernst Lothar genau der Concordia beitrat, konnte ich nicht eruieren, da die Mitglieder-
kartei aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg »von den Nazis beschlagnahmt wurde und seither
verschollen blieb« (schrift
liche Auskunft von Dr. Ilse Brandner-
Radinger, Generalsekretärin der
Concordia, vom 4. Juni 2008).
74 Brief von EL an die J.-G.-Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger (Stuttgart). Wien, 18. Juni 1919.
DLA, HS004396946.
75 Moderne Welt (Wien), Westermanns Monatshefte, Neue Freie Presse, Velhagen und Klasings
Monatshefte, Donauland, Deutsche Rundschau, Neue Rundschau, Neues Wiener Tagblatt und
Neues Wiener Journal.
76 Brief von EL an die J.-G.-Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger (Stuttgart). Wien, 1. Juli 1919.
DLA, HS004396937.
77 Vgl. Briefe der J.-G.-Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger an EL. Stuttgart, 8. Juli und 4. August
1919. DLA, HS004396937 und HS004396946. 1890 – 1925: Literarische
Nachwuchshoffnung40
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478