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»modernen Erziehungsroman« (Deutsche Allgemeine Zeitung): Während Irr licht
der Welt Vitus Gottvogts Werdegang zum Henker und sein Bestreben, durch
Macht und Ehrgeiz Gewalt über die Menschen zu erlangen, ausführ lich schil-
dert, beschreibt der 1923 (ein Jahr später als zunächst angekündigt) erschienene
zweite Band Irr licht des Geistes den Versuch des ehemaligen Scharfrichters,
der sich nun Peter Franziskus nennt, sein Ziel über den Intellekt zu erreichen.
Dieses »Irr licht« bringt ihn schließ lich dazu, Gotteslästerung zu begehen, als
Sinnbild für die Entthronung Gottes den Papst während der Messe zu töten
und Aufruhre anzuzetteln. Er wird zum Tode verurteilt, aber durch die Gnade
eines Geist lichen wird das Urteil in lebenslange Kerkerhaft umgewandelt. Die
Läuterung, die Katharsis, ist dem dritten Band Licht (zunächst als Licht von
Innen für 1924 angekündigt) vorbehalten. Der mittlerweile 40-jährige Gottvogt
wird durch die selbstlose Liebe der 19-jährigen Kerkermeistertochter Elisabeth
geläutert. Den »selbständig in sich geschlossenen dritten Band ›Licht‹, der das
Problem der Erziehung des Menschen zur Güte behandelt« 84, veröffent lichte
die Neue Freie Presse im Herbst des Jahres 1924.85 In 72 Fortsetzungen wurde
Licht in der Chronikbeilage der Zeitung abgedruckt, im Sommer 1925 rezen-
sierte Herbert Eulenberg die Trilogie für das Blatt und äußerte sich positiv über
Lothars Romanfolge. Im Gegensatz zu Wertheimer, der ja die Chance auf eine
»tiefe dostojewskyhafte Studie« vertan sah, erachtete Eulenberg den Russen als
Lothars Lehrer.86
Nicht nur Paul Wertheimer war die teilweise sensa
tionsheischende Handlung
(»Kinoausbrüche«) aufgefallen, welche die Trilogie wohl für eine Verfilmung
prädestinierte. 1924 erwarb die Berliner Licho-
Film GmbH die diesbezüg
lichen
Rechte. Der ungarische Regisseur und Drehbuchautor Alfred Fekete wurde
zunächst mit der Adaptierung des ersten Teils für den Film beauftragt. Die Neue
Freie Presse druckte im Mai 1924 die Schlussszene aus dem Filmmanuskript ab.
Feketes Bearbeitung sollte unter dem Titel Der Henker verfilmt werden, hieß
84 Neue Freie Presse, 11. 11. 1924, S. 1.
85 EL: Licht. Roman. Wien: Österreichische Journal- A.-G. 1924. 207 S.
86 Herbert Eulenberg: Macht über alle Menschen. Ein Roman in drei Bänden von Ernst Lothar
(Georg Müller, Verlag, München). In: Neue Freie Presse, 26. 7. 1925, S. 27 f., hier S. 27. Rudolf
Jeremias Kreutz ist der Ansicht, in dem Buch stecke »etwas vom ekstatischen Suchertrieb eines
Tolstoi, eines Strindberg« (Rudolf Jeremias Kreutz: Ein Heilandsroman. Ernst Lothar: »Licht«.
Des Romans »Macht über alle Menschen« dritter Teil. Bei Georg Müller, München 1925. In:
Neues Wiener Abendblatt, 17. 11. 1925, S. 4). Auch das Mannheimer Tageblatt fühlte sich »an
die großen rus sischen Erzähler« erinnert (Auszug der Rezension abgedruckt unter dem Titel
»Urteile der Presse« als Verlagswerbung in Irr licht des Geistes).
1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 43
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478