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Wer ist Ernst Lothar? Ein gänz
lich überfüssiger jüdischer Romanschmierer, wie es
deren unzählige gibt. […] Ernst Lothar stammt aus … Brünn, heißt Müller, ist ein
Bruder jenes Gott sei Dank verschollenen Hans Müller, der einst das Theater verpestet
und in der »Neuen Freien Presse« eine Bombenrolle gespielt hat, ist ferner Profes-
sor, Hofrat und was man bei uns sonst noch alles werden kann, wenn man nur recht
»zielstrebig« ist, und mir als »Schriftsteller« nur aus Feuilletons bekannt, mit welchen
er seit dem Abtreten seines Bruders die »Neue Freie Presse« füttert: diese Feuilletons,
auf Ethos gearbeitet, kann man nur mit Heulen und Zähneknirschen lesen … und
mit dem immer wiederholten Schlachtruf: »Fort aus Wien! Zurück nach Brünn!«
Natür lich ist dieser Lothar auch eine Säule des Paul Zsolnay Verlages, den man
überhaupt als den Kulmina tionspunkt des Semitismus in der Literatur bezeichnen
kann. Dieser jüdische Verlag unterhält höchst intime Beziehungen mit der alten Vettel,
der »Neuen Freien Presse«. Es ist klar, daß Herr Lothar, sooft er einen neuen Roman
»geschrieben« hat, schon wegen seiner doppelten Eigenschaft als Feuilletonist dieser
alten Vettel und als Autor des mit ihr so innig verfilzten Judenverlags durch eine Lob-
hudelei honoriert werden muß, die auf jede einschränkende Nuance verzichtet […].121
Die Klassifizierung von österreichischen Schriftstellern, die dem Na
tionalsozia-
lismus nicht ergeben waren, als »Deutschfeinde« in verschiedenen deutschen
Zeitungen dieser Zeit rief Oskar Maurus Fontana, den Ersten Vorsitzenden des
Schutzverbands deutscher Schriftsteller in Österreich, auf den Plan, der an die
österreichische Gesandtschaft in Berlin über den eingeleiteten und geführten
»Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland« schrieb.122 Fontana, eben-
falls P. E. N.-Mitglied, war nach der Spaltung des Clubs an Ernst Lothar mit der
Bitte herangetreten, er möge eine Vorstandsfunk
tion in der Schriftstellerorganisa-
tion übernehmen. Lothar erklärte sich dazu nur unter bestimmten Vorausset-
zungen bereit, die allerdings nicht erfüllt wurden:
121 Dominikus: Jüdischer Literatursumpf. In: 12-Uhr-
Blatt, 27. 10. 1933, S. 4. – 1932 hatte die vom
Deutschen Bühnenverein herausgegebene Halbmonatsschrift Deutsches Volkstum die Feier-
lichkeiten in Wien zum 100. Todestag Goethes für einen ersten Rundumschlag genutzt (Dt.
Bühnenverein (Hg.): Deutsches Volkstum. Halbmonatsschrift. 1. Aprilheft. Hamburg: Han-
seat. Verl.-Anst. 1932, S. 332).
122 Vgl. Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918 – 1938, S. 129. – Die 25 Unter-
zeichner der Kreutz- Resolu
tion verfassten eine »Eingabe an die in Kulturfragen zuständige
Berliner Stelle«, in der sie sich gegen den Vorwurf der »Deutschhetze« und des »Deutsch-
hasses« verwahrten. Vgl. Ursula Huber: Frau und doch kein Weib. Zu Grete von Urbanitzky,
S. 218 f. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor
sind«74
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Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478