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Gaumont British Picture Corpora
tion erhalten hatte, schlug der Filmproduk-
tionsfirma vor, Ernst Lothars Romane Kleine Freundin und Der Hellseher zu
verfilmen. Die Verantwort lichen des Konzerns waren einverstanden; bei Kleine
Freundin (Little Friend) sollte Viertel auch Regie führen, beim Hellseher war er
für die Arbeiten am Drehbuch vorgesehen, die Regisseursfrage blieb zunächst
offen.150 Viertels Assistent und Co- Autor bei Little Friend wurde, vornehm
lich
wegen seiner Deutschkenntnisse, Christopher Isherwood,151 außerdem arbeitete
Margaret Kennedy am Drehbuch mit.152 Der Film wurde der Form und der Logik
nach als Traum konzipiert. Gaumont British war mit dem Resultat zufrieden,
auch wenn der Streifen nicht zu den besten Filmen gehörte, die in den 1930er
Jahren gedreht wurden.153 1934 erschien Little Friend, die Rolle der Felicitas
übernahm die 14-jährige Nova Pilbeam, ihre Eltern wurden von Matheson
Lang und Lydia Sherwood verkörpert, Fritz Kortner hatte einen Gastauftritt.154
Während Berthold Viertel die Produk
tion des Films durchsetzt und schließ
lich
mit seinen Helfern die Arbeit am Drehbuch beginnt, trifft Lothar ein Schick-
salsschlag. Am 13. August des Jahres 1933 verstirbt seine Tochter Agathe, drei
Tage nach Vollendung ihres 18. Lebensjahrs, an Poliomyelitis, Kinderlähmung.155
Anfang 1934 teilt Viertel Lothar mit, dass er nach drei Monaten intensiver
Arbeit mit dem Manuskript fertig sei, dass ihn das »außerordent
lich psycholo-
gische Thema« gereizt habe und es »vieler inniger und heißer Mühe« bedurfte,
»um die Traum- und Illusionswelt des Kindes, ihr inneres Raisonnement fil-
misch sichtbar zu machen«.156 Lothar geht in seinem Antwortschreiben nicht
auf diese Anstrengungen ein, sondern zeigt sich vor allem enttäuscht über die
späte Rückmeldung Viertels, an den er bereits im Juli 1933 wegen des Films
geschrieben hatte. Neben indirekten Anschuldigungen deponiert Lothar in
leicht erpresserischer Form auch noch seine Wünsche:
150 Vgl. New York Times, 15. 2. 1934. Regie führte dann, wie bereits erwähnt, Maurice Elvey.
151 1945 schrieb Isherwood die satirische Erzählung Prater Violet über die Filmarbeit im Allge-
meinen sowie jene an Little Friend mit Berthold Viertel im Besonderen. Vgl. James J. Berg
(Hg.): Christopher Isherwood, S. 184 – 198.
152 Vgl. Violet Lady Powell: The Constant Novelist. A Study of Margaret Kennedy, S. 100 f.
153 Vgl. Ernst Glaser: Berthold Viertel und Christopher Isherwood, S. 145.
154 Vgl. dazu Klaus Völker: Fritz Kortner. Schauspieler und Regisseur, S. 125. – Hier sind auch
zwei Briefe Kortners an Ernst Lothar aus den Jahren 1964 und 1967 abgedruckt.
155 Vgl. Wiener Zeitung, 16. 8. 1933, S. 3 und Neue Freie Presse, 17. 8. 1933, S. 10.
156 Brief von Berthold Viertel an EL. [London,] 23. Januar 1934. DLA, 91.15.35. Viertel schreibt
über seine Motive, Lothars Roman zu verfilmen, auch in einem Artikel in der New York Times
(28. 10. 1934, S. X5).
Ein »starkfäustiger Ankläger« der Gesellschaft? 81
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478