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sein Gesundheitszustand gegen die Kandidatur. Felix Salten schrieb in seiner
Einschätzung der »Burgtheaterkrise« über die Eigenschaften, die der neue
Burgtheaterdirektor haben solle:
Dieser Direktor muß ein reifes literarisches Urteil besitzen, hohes Verstehen, wenn
schon nicht eigenes Talent, für die Kunst der Regie, er muß Sinn, Nerven, Gefühl
und Temperament für das Bühnenleben haben, muß in seinem Blut wie in seinem
Instinkt das sichere Empfinden dramatischer Wirkung tragen, vor allem aber muß
er die Schauspieler lieben oder sie, was ja dasselbe ist, gründ lich kennen. […] Aber
wo existiert der Mann, der diese Eigenschaften in sich vereint?184
Einige der Schauspieler des Burgtheaters waren der Meinung, in Ernst Lothar
diesen Mann gefunden zu haben. Otto Treßler fragte inoffiziell »im Namen der
bedeutendsten Mitglieder des Hauses« an, ob Lothar nicht die Direk
tion über-
nehmen wolle, seine Kritiken hätten sie zu der Überzeugung gebracht, dass er
der Richtige für diesen Posten sei.185 Lothar wollte es sich in Ruhe überlegen,
fuhr zu einer Vorlesung aus eigenen Schriften nach Bratislava. Herterich hatte
seinen Rücktritt um den 12. Januar 1930 bekannt gegeben, bereits am 17. Januar
konnte man in den Zeitungen von einer mög
lichen Kandidatur Lothars lesen.186
Lothar selbst gab diesbezüg lich folgende Erklärung ab:
Es ist richtig, daß von einer dem Burgtheater nahestehenden Seite an mich in den
allerletzten Tagen herangetreten wurde. Man legte mir die Frage vor, ob ich unter
bestimmten Umständen bereit wäre, die Direk
tion des Burgtheaters zu übernehmen.
Ich muß aber feststellen, daß diese Anfrage durchaus inoffiziell war. Es handelt sich
in diesem Falle um eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Ich habe geantwortet, daß ich diese
Anfrage erst dann in verbind licher Form beantworten könnte, wenn ich genügend
Gewähr dafür hätte, daß bei einer mir unerläß lich scheinenden Regenerierung des
Burgtheaters bureaukratische, nichtkünstlerische Hindernisse und Vorbehalte aus-
geschaltet bleiben.187
184 Felix Salten: Burgtheater. Anmerkungen zur Krise. In: Wiener Sonn- und Montags-
Zeitung,
3. 2. 1930, S. 4 f.
185 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 74.
186 Vgl. Neue Freie Presse, 17. 1. 1930, S. 3; Arbeiter-
Zeitung, 17. 1. 1930; Brünner Tagesbote, 18. 1. 1930,
S. 7.
187 Reichspost, 17. 1. 1930, S. 7.
»Des Burgtheaters Sonntagsregisseur« 89
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478