Seite - 95 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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unentwegt zu sagen, was ihnen am Herzen liegt. Wo das Handwerk versagt, überbrückt
die Theaterbesessenheit Ernst Lothars konven
tionelle Inszenierungsmomente. Das
geistige Kolossalgebäude Hebbels erscheint ganz klar aufgerichtet, kalt brennt das
Feuer seiner Sprache. Ernst Lothar leistete ergiebige dramatur
gische Vorarbeit[,] und
die geistige Autorität des Dramaturgen half dann dem Regisseur zum Erfolg eines
Abends, der »Agnes Bernauer« rehabilitierte.210
Der Erfolg dieser Inszenierung brachte neue Aufträge für Lothar, so die Bear-
beitung von Shakespeares Tragödie Othello 211 und von »Ibsens Riesendrama
›Kaiser und Galiläer‹ für einen Abend und eine Neufassung von Anzengrubers
›Viertem Gebot‹« 212.
Parallel zu diesem beruf ichen Umbruch fanden in Lothars Privatleben ein-
schneidende Veränderungen statt. Seine Ehe mit Mary stand vor dem Aus, das
Paar hatte sich auseinandergelebt. Ein Grund dafür war die 37-jährige Adri-
enne Geiringer, die Lothar bereits seit 1911 kannte. Nach Lothars Hochzeit ging
Adrienne, die sich als Schauspielerin den Künstlernamen Gessner gab, zwar an
das Brünner Theater, nach München und Stuttgart, doch der Kontakt zwischen
ihr und dem verheirateten Mann riss nie ganz ab. Als ein Engagement die
Schauspielerin 1919 nach Wien zurückführte, wurde die Verbindung zusehends
intensiver. Lothar nahm seine Töchter mit zu Vorstellungen, in denen Adrienne
auftrat – nachdem sie zunächst am Raimund-
Theater gearbeitet hatte, war sie
nun am Theater in der Josefstadt engagiert. Die Kinder kannten die Geliebte
des Vaters, titulierten sie als »Tante«, war sie doch als Bekannte Marys oft zu
Gast im Hause Lothars. Schließ lich einigten sich Lothar und seine Frau »nach
vergeb lich vorgenommenem Versöhnungsversuch« auf die Scheidung, die am
21. April 1933 im Wiener Bezirksgericht Landstraße vollzogen wurde. Mary
bekam das Sorgerecht für die Kinder zugesprochen, Lothar verpfichtete sich,
beginnend mit dem 1. Mai 1933, an seine Exfrau 300 Schilling pro Monat für
den Unterhalt der Kinder zu zahlen.213 Fast auf den Tag einen Monat darauf,
am 22. Mai 1933, heirateten Ernst Lothar und Adrienne Gessner,214 Trauzeugen
210 Siegfried Geyer: Burgtheater und Scala. In: Wiener Sonn- und Montags-
Zeitung, 18. 2. 1935,
S. 8.
211 Vgl. Neues Wiener Tagblatt, 13. 8. 1935, S. 8.
212 Brünner Tagesbote, 15. 8. 1935, S. 6.
213 Vgl. Scheidungsurkunde von Ernst Lothar und Mary Helene, geb. Sachs des Renaudes. 21. April
1933. WBR, ZPH 922a.
214 Vgl. Eheschein von Ernst Lothar und Adrienne Geiringer, 29. Mai 1933. a. a. O. – Lothar
behauptete, dass er Adrienne schon viel früher geheiratet hätte, wäre er nicht gezwungen
»Des Burgtheaters Sonntagsregisseur« 95
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Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478