Seite - 102 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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einen großen Raum im Repertoire einräumen werde […]. […] Ich will, kurz gesagt,
den Werten, die das Josefstädter Theater bereits besitzt, neue hinzufügen.14
Dass Lothar zum Direktor des Theaters in der Josefstadt ernannt worden war,
fand nicht bei allen Zustimmung. Bedenken wurden in Form von Persifagen
und Parodien geäußert: Ernst Lothar erinnerte sich an eine Karikatur, die im
Montagsblatt Der Morgen veröffent
licht wurde, die ihn »als Doppelwesen dar-
stellte, wovon das eine – der erbötige Theaterdirektor – sich schamhaft vor dem
anderen – dem unerbitt
lichen Theaterkritiker – verbarg« 15. Auch für die Literatur
am Naschmarkt, die »Kleinkunstbühne des Bundes junger Autoren Österreichs«,
war Lothars Ernennung in ihrem zehnten Programm, das einen Monat lang
zu sehen war, ein Thema.16 Dieses Herbstprogramm war laut Kritikern erfüllt
von »Geist und Witz, der sich kühn an den neuen Direktor des Theaters in der
Josefstadt wagt, aber durch liebenswürdige Satire versöhnt« 17. Walter Engel gab
einen Text von Rudolf Spitz, dem Gründer der Stachelbeere, mit dem Titel
»Lotharkie« zum Besten, in dem Ernst Lothar aufs Korn genommen wurde:
Besonders gelungen ist ein Chanson »Lotharkie«, worin ein Theaterdirektor, der
auch Autor und Kritiker ist, herhalten muß und sich selbst frei nach dem »Barbier
von Sevilla« feiert. »Ich bin der Direktor der ganzen Stadt, der Josefstadt«; in einem
franzö
sischen Interview, das er gibt, ist geschickt auf die Wortähn
lichkeit von »L’au-
teur« und »Lothar« angespielt, der Reim »Von Friedrich Schiller bis Hans Müller«
gibt einen guten Refrain.18
Mit dem 1. September 1935 übernahm Lothar offiziell die Direk tion des Theaters
in der Josefstadt 19 (inoffiziell begann seine Direk
tionszeit mit dem 1. Novem-
ber 1935), das erste Stück in der neuen Saison und unter dem neuen Direktor
war die noch von Preminger angesetzte deutsche Uraufführung von Henri
Bernsteins Hoffnung am 17. September.20 Mitte September 1935 verabschiedete
14 Neues Wiener Tagblatt, 18. 8. 1935, S. 12.
15 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 88.
16 Neue Freie Presse, 1. 10. 1935, S. 8.
17 Neues Wiener Journal, 1. 10. 1935, S. 11. Vgl. auch Ingeborg Reisner: Kabarett als Werkstatt des
Theaters, S. 130.
18 Volkszeitung, 28. 9. 1935, o. S.
19 Vgl. auch Pensionsakt Ernst Lothar. WBR, ZPH 922a.
20 Vgl. Neue Freie Presse, 17. 9. 1935, S. 7. – Otto Preminger hatte noch Anfang Juni die Pre
mieren
für die Saison 1935/36 festgelegt, darunter Espoir von Henri Bernstein und Laverys First Legion.
1935 – 1938: Theater in der
Josefstadt102
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478