Seite - 105 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Bild der Seite - 105 -
Text der Seite - 105 -
entwerfen oder bei der Planung beratend zur Seite zu stehen. Er selbst wollte
die Feier wieder mit einer von ihm gesprochenen Würdigung beginnen und sie
dann mit Rezita tionen aus Beer- Hofmanns Werken fortsetzen. Den Abschluss
sollten Szenen aus Beer- Hofmanns 1933 fertiggestelltem Jungen David bil-
den, in Anbetracht der damaligen politischen Situa tion eine couragierte Wahl
Lothars. Das Drama, Teil einer unvollendet gebliebenen Pentalogie, verhandelt
klas sische Themen des Judentums, Genera tionenkonfikt und Theodizee sowie
die Frage der Erwählung.35 Generell handelt es sich bei dem Jungen David
um »bekennende jüdische Dichtung«, war Beer- Hofmann doch auch einer
der wenigen, die sich öffent lich zu ihrer jüdischen Abstammung bekannten.
Allerdings fand Ernst Lothar Anfang 1936 weder die geeignete Besetzung
für die Rolle des David noch eine glück liche Lösung der szenischen Frage
für die Josefstadt;36 die geplante Matinee zu Ehren Beer- Hofmanns wurde
nicht realisiert.
Im Frühjahr 1936 brachte Lothar drei Dramen heraus. Begonnen wurde mit
zweien aus der Feder Karl Schönherrs, Karrnerleut und Kindertragödie, die Lothar
zu seinem »Spielplan der Dichtung« zählte. Der Schönherr-
Abend fand breite
Zustimmung, die Josefstadt löse mit dieser Aufführung »eine Ehrenschuld des
gesamten österreichischen Theaters« ein.37
Das dritte Drama gehörte wieder zum Festspielzyklus: Gotthold Ephraim
Lessings Nathan der Weise feierte in der Neubearbeitung und Neuinszenierung
Lothars am 17. März Premiere.38 Die Zeitungen lobten das Unterfangen, Lessing
wieder auf die Bühne zu bringen, und in ihren Besprechungen wurde daher
häufig verständnisvoll über Lothars Änderungen an dem Drama hinweggese-
hen, meist wurden sie mit den beschränkten Raumverhältnissen des Theaters in
der Josefstadt gerechtfertigt und nur als »vielleicht da und dort ein ganz klein
35 Margarita Pazi: Staub und Sterne. Aufsätze zur deutsch- jüdischen Literatur, S. 124.
36 Vgl. Brief von EL an Richard Beer-
Hofmann. Wien, 10. Februar 1936. Houghton Library, Har-
vard College Library, Harvard University, Cambridge, MA 02138: Amy Lowell fund, 68M-151,
bMS Ger 183 (331).
37 Das Kleine Blatt, 8. 3. 1936, S. 19; Neue Freie Presse, 8. 3. 1936, S. 15; Neues Wiener Journal,
8. 3. 1936, S. 27 und 15. 3. 1936, S. 27; Reichspost, 8. 3. 1936, S. 15; Wiener Bilder, 15. 3. 1936, S. 10;
Wiener Zeitung, 8. 3. 1936, S. 11; Wiener Sonn- und Montags- Zeitung, 9. 3. 1936, S. 7.
38 Bassermann, der den Nathan verkörperte, riet Lothar drei Jahre später, seine Bearbeitung des
Lessing’schen Dramas ins Eng
lische übertragen zu lassen (Brief von Albert Bassermann an EL.
La Jolla, 31. Juli 1939. WBR, ZPH 922a).
1935 – 1938: Theater in der Josefstadt 105
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478