Seite - 106 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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wenig problematisch« eingestuft.39 Vorwiegend wurde auf die Bedeutung des
Humanitätsgedankens des Werks aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen,
dass eine Aufführung dieses Stücks gerade zu dieser Zeit einen mutigen Schritt
darstelle und »durch gewisse heutige Zeitströmungen eine schier anklägerische
Betonung erführe« 40.
Insgesamt gesehen war es, wenn man den Kritiken Glauben schenken mag,
ein rundherum gelungener Abend, der sich gegen religiöse Intoleranz und
Antisemitismus wandte.41 Léon Volterra, genannt »Petit Léon«, Analphabet und
Multimillionär, Casinobesitzer und Theatermagnat,42 wollte Nathan der Weise in
Lothars Inszenierung während der Pariser Festwochen herausbringen und bat
ihn um ein Gastspiel des Josefstädter Ensembles. Lothar nahm die Einladung
an, durchaus im Bewusstsein, dass die Nathan- Aufführungen »nach längerer
Zeit das erste deutsche Ensemblegastspiel in der franzö sischen Metro pole« 43
waren. Das Stück sollte im Rahmen des 10. Interna tionalen Theater
kongresses
1937 im Théâtre de l’Odéon aufgeführt werden.44 Zunächst ging aber ein unter
der Führung Ernst Lothars stehendes Ensemble des Josefstädter Theaters
damit Ende März 1936 auf eine Gastspielreise mit den Sta tionen Brünn, Prag
und Budapest.45
Die zweite Spielzeit unter Ernst Lothars Direk
tion begann mit einem vierakti-
gen Volksstück, das am Josefstädter Theater knapp 60 Jahre zuvor uraufgeführt
worden war: Die Erstaufführung von Ludwig Anzengrubers Viertem Gebot in der
Neuinszenierung Lothars fand im Rahmen des Festspielzyklus am 11. September
1936 in Anwesenheit des Staatssekretärs und Generalsekretärs der Vaterländi-
schen Front, Guido Zernatto, statt, der so Zeuge der »kühnen und interessanten
Regieleistung« 46 Lothars wurde. Die Neueinstudierung – Lothar hatte text
lich
39 Vgl. Neues Wiener Journal, 18. 3. 1936, S. 11; Reichspost, 19. 3. 1936, S. 11 f.; Wiener Zeitung,
19. 3. 1936, S. 10. – Kritiken u. a. in: Tagblatt, 18. 3. 1936; Der Tag, 19. 3. 1936; Neue Freie Presse,
18. 3. 1936, S. 7 und 19. 3. 1936, S. 1 ff.
40 Reichspost, 19. 3. 1936, S. 11; Wiener Sonn- und Montags- Zeitung, 23. 3. 1936, S. 8.
41 Vgl. Der Telegraf, 19. 3. 1936; Neues Wiener Journal, 18. 3. 1936, S. 11; Wiener Zeitung, 19. 3. 1936,
S. 10.
42 Ernst Günther: Geschichte des Varietés, S. 87.
43 Neues Wiener Journal, 21. 5. 1936, S. 21.
44 Vgl. ebd., 7. 5. 1937, S. 10.
45 Brünner Tagesbote, 24. 4. 1936, S. 3; Neues Wiener Journal, 26. 4. 1936, S. 25.
46 Neue Freie Presse, 12. 9. 1936, S. 7. 1935 – 1938: Theater in der
Josefstadt106
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478