Seite - 113 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Reuß, der vor Gericht wegen Dokumentenmissbrauchs und Falschmeldung
zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, spielte also weiter den Dorsday in
Lothars Fräulein Else. Mit der 25. Aufführung übersiedelte das Stück aus der
Josefstadt in die Kammerspiele:80 Seit 1925 bestand zwischen den 1910 erbauten
Kammerspielen und den Reinhardt- Bühnen in Wien und Berlin eine Inter-
essengemeinschaft, im Frühherbst 1936 wurden die Kammerspiele eine Fili-
albühne des Josefstädter Theaters.81 Lothar und die Eigentümer der Kammer-
spiele hatten wochenlang verhandelt und sich schließ
lich darauf geeinigt, dass
das kleine Theater in der Rotenturmstraße Mitte Oktober mit einem Gastspiel
des Ensembles des Theaters in der Josefstadt eröffnet werde. Johann Santner,
der sieben Jahre lang Direktorstellvertreter der Kammerspiele war, wurde zum
Direktor und Konzessionär der Josefstädter Filialbühne. Sie trug von diesem
Moment an den Namen »Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt«; Ernst
Lothar hatte mit der administrativen Führung der Kammerspiele nichts zu tun,
dafür aber die künstlerische Leitung inne.82 Am 25. September 1936 waren die
Verhandlungen zwischen Josefstadt und Kammerspielen abgeschlossen, der Ver-
trag unterzeichnet.83 Die Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt wurden
am 13. Oktober 1936 eröffnet. Von der Josefstadt übernommen wurden André
Birabeaus Stücke Paradies und Südfrüchte (Pamplemousse) sowie Fräulein Else.
Schnitzlers von Lothar dramatisierte Novelle wurde kurz nach der Wiener
Premiere auch im Zürcher Schauspielhaus erfolgreich erstaufgeführt.84 Im dar-
auffolgenden Jahr wurde Fräulein Else in Den Haag auf die Bühne gebracht.
Die holländische Presse empfand Lothars Arbeit als »ziem
lich grob«, »unend-
lich viel farbloser« als Schnitzlers Novelle; die Bühnenbearbeitung fokussiere
»eigent
lich fortwährend auf die Außenseite der Ereignisse ohne das psycholo-
gische Argument«.85 Das Algemeen Handelsblad sah in der Dramatisierung »ein
rasselndes schludriges Melodram«, der Tod Elses sei hier »so lächer lich wie
80 Neues Wiener Journal, 23. 12. 1936, S. 11. – Im Sommer 1938 gab es auch kurzfristig Pläne für
eine amerikanische Aufführung von Lothars Fräulein Else. Vgl. Brief von Heinrich Schnitzler
an EL. Hilterfingen, 23. Juli 1938. ÖTM, Nachlass Heinrich Schnitzler. E 4812 Schn. 33/20/6.
81 Neue Freie Presse, 21. 9. 1936, S. 6.
82 Ebd., 23. 9. 1936, S. 6. – Die Kammerspiele wurden in der Folgezeit auch als »literarische Depen-
dance« der Josefstadt bezeichnet (vgl. Reichspost, 14. 11. 1937, S. 14).
83 Neue Freie Presse, 26. 9. 1936, S. 6. – Auch in der Spielzeit 1937/38 blieben die Kammerspiele
dem Theater in der Josefstadt als zweite ständige Bühne angegliedert, ein diesbezüg liches Über-
einkommen wurde Mitte Mai 1937 erzielt (vgl. Neues Wiener Journal, 15. 5. 1937, S. 11).
84 Vgl. Neues Wiener Journal, 1. 12. 1936, S. 11 und 16. 12. 1936, S. 11.
85 Vaderland, 28. 3. 1937; NRC Handelsblad, 30. 3. 1937.
1935 – 1938: Theater in der Josefstadt 113
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478