Seite - 129 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Vertreter der na
tionalsozialistischen Zelle seines Theaters zu erkennen. Lothar
teilte ihnen seinen Entschluss mit, die Direk
tion mit sofortiger Wirkung nie-
derzulegen.169 Sie nahmen ihm das Versprechen ab, für die Zeit des Übergangs
zu bleiben, es würde ihm nichts geschehen. Lothar kontaktierte seinen in der
Schweiz lebenden Bruder Hans und informierte ihn über sein Kommen, doch
noch am selben Abend wurde ihm der Pass abgenommen. Am 13. März ver-
anlasste Lothar, dass Hansis Erbteil an Hans überwiesen wurde. Auch gelang
es ihm mit Hilfe seiner Sekretärin, der Parteigenossin Josefine Holmann, und
eines Mittelsmannes, seinen Pass für 25.000 Schilling zurückzubekommen.170
Nach eigenen Angaben war Lothar, nachdem er auch für eine Ausreiseerlaubnis
hatte bezahlen müssen, mittellos. Er holte sich noch eine Bescheinigung des
Bühnenvereins (Ring österreichischer Bühnenkünstler) ab, wonach er seinen
Verpfichtungen pünkt
lich nachgekommen sei und das Theater in der Josefstadt
fast in die schwarzen Zahlen gebracht habe.171 Ernst Lothar schreibt in seiner
169 So freiwillig, wie er in seiner Autobiographie (Das Wunder des Überlebens, S. 109) schreibt,
traf Lothar seine Entscheidung wohl nicht. In einem Dokument bezüg lich der Beanspruchung
von Entschädigung für eine Kau tion über 120.000 Schilling für die Theaterdirek tionszeit
beim Ring österreichischer Bühnenkünstler hält er fest, dass »die Beendigung [s]einer Direk-
tionsführung unter Zwang geschah« (ÖSTA, AdR, Abgeltungsfonds, Lothar-
Müller, Ernst).
170 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 112. An anderer Stelle spricht Lothar von 53.000 Schil-
ling. Aktenvermerk, 17. September 1962. ÖStA, AdR/06, Hilfsfonds, Kt. 1654, AZ 6548/1R:
Müller, Ernst Lothar, fol. 20. In dem in New York bei H. W. Wilson erscheinenden Current
biography yearbook aus dem Jahr 1948 heißt es auf Seite 394, dass Lothar mit einem falschen
Pass in die Schweiz floh.
171 Attila Hörbiger hatte Lothar geholfen, die Bescheinigung des Bühnenvereins zu bekommen
(vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 112). Robert Valberg war kommissarischer Leiter
der Schauspielergewerkschaft und später Landesleiter der Reichstheaterkammer in Wien.
1945 schreibt Valberg über seine damalige Funk tion im Bühnenverein: »Bald wurde mir
klar, dass ich diese Stellung, die eine rein gewerkschaft liche und keine parteipolitische war und
[die] ich ehrenamt lich versah […], nur halten könne, wenn ich der NSDAP beitrete, was ich
schlie[ß]lich g[e]tan habe. In dieser meiner Dienststellung habe ich eigenmächtig jüdischen
Kollegen und Thea terdirektoren durch Ausstellung von Schutzbriefen und Grenzübertrittscheinen
zur unbehelligten Ausreise verholfen. Diese Tatsachen sind in der Theaterwelt bekannt und ich
kann nur einzelne, in meiner Erinnerung haftende Fälle anführen: Direktor Arthur Hellmer
( Theater a. d. Wien), Hofrat Dr. Ernst Lothar, Regisseur Prof. Paul Kalbeck, Dramaturg
Johannes Reich (alle Theater i. d. Josefstadt), Karl Farkas, Oskar Karlweis u. v. a.« Abschrift
(vom 31. Jänner 1946) eines 29-seitigen Konzessionsansuchens für das Bürgertheater für die
Spielzeit 1946/47 von Robert Valberg (vom 23. Dezember 1945), bei der Polizei eingelangt
am 18. Februar 1946. Valberg, Robert, div. Akte 1946; 1949 (»Bürgertheater«). Schachtel:
Theater/12. Bundespolizeidirek tion Wien, Referat 7: Bibliothek und Archiv. – An dieser
Stelle möchte ich mich bei Michael Winter vom Archiv der BPD Wien bedanken sowie
1935 – 1938: Theater in der Josefstadt 129
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478