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1933 sofort erwarb«.15 Da Lothar den Plan zu diesem Buch aber infolge seiner
Theatertätigkeit nicht habe ausführen können, sei er nun wieder über diesen
Stoff verfügungsberechtigt. Dieser Teil des Romanzyklus solle »das Recht am
[sic] eigenen Körper« behandeln:
[H]ier (wird) das Gesamtproblem der abnormen Geschlechtsveranlagung in jeder
Art und Abart, unter besonderer Berücksichtigung der Homosexualität, aber auch die
strittige Frage des Gebärenmüssens und nicht Gebärenwollens oder Nichtgebären-
dürfens samt dem Abtreibungskomplex, der sogenannten »sozialen ärzt lichen Indika-
tion« 16, den Straffolgen, den Erpressungen und sonstigen Konsequenzen so behandelt
werden, wie es der Sachkenntnis eines staatsanwaltschaft
lichen Beamten (das war ich
am Beginne meiner Beamtenzeit) und eines Mannes entspricht, der nicht nur die
Gesetze, sondern auch das Leben kennt. Der Stoff ist in seiner Totalität romanhaft
noch nie behandelt worden […]. Die Schauplätze sind Paris, London, Berlin, Wien,
die romanhafte Handlung wächst aus einem weitverzweigten interna tionalen Justiz-
fall, der sich tatsäch
lich ereignet hat und von außerordent licher Spannung ist. Auch
komische Figuren begleiten die Haupthandlung, um das Hell – Dunkel zu erzielen,
das diesem ungeschminkt wahren, in einer sitt lichen Forderung entscheidend gip-
felnden, in seinem Vortrage Maß und Takt innehaltenden Buche eignen soll.17
Neben diesen beiden Romanstoffen hatte Lothar auch Interesse daran, »biogra-
phische Darstellungen« zu verfassen. Folgende sechs Persön lichkeiten schwebten
ihm dabei vor: der eng
lische König Eduard VII. (1841 – 1910), Kardinal Jules Maza-
rin (1602 – 1661), der Marquis de Sade (»Porträt eines Verdammten«), die franzö-
sische Schriftstellerin und Baronin Anne Louise Germaine de Staël-
Holstein
(»Madame de Staël, Lebensgeschichte des Geistes und der Leidenschaft«), der
15 Lothar hatte Ende Februar 1932 eine Abmachung mit dem Zsolnay Verlag über dieses Roman-
projekt mit dem vorläufigen Titel Die Schande oder das Recht auf den Körper getroffen (vgl. Murray
G. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag, S. 351).
16 Mit »sozialer Indika tion« ist der Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Schwangerschafts-
monaten gemeint, der aus »sozialen« und nicht aus biolo
gisch-
medizinischen Gründen durch-
geführt wird. Die Lebenssitua tion der Schwangeren wird unter Einschluss des sozialen und
familiären Umfelds beurteilt. Es handelt sich hierbei um einen »gerechtfertigten« und »nicht
rechtswidrigen« Schwangerschaftsabbruch. Vgl. Harro Otto: Grundkurs Strafrecht, S. 66; Brigitte
Tag: Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und
Lex artis, S. 59.
17 Brief von EL an den Allert de Lange Verlag. Einigen am Thunersee, 10. April 1938. IISH,
Uitgeverij Allert de Lange (Amsterdam) Archives, 29/263.
Emigrant 139
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478