Seite - 154 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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will er sich und seine Frau umbringen, um in österreichischer Erde begraben
zu werden. Die Gerlers schiffen sich gen Amerika ein:
Auf dem Schiffe findet sich eine kleine Auswahl des besten alten Ă–sterreich zusam-
men, Repräsentanten derer, auf die man jetzt dort verzichtet: Menschen der Wis-
sens[c]haft, des Geistes, der Kunst und des Herzens. Auch Ernst, der Augenarzt, ist
darunter. »Gut«, sagt er mit seiner alten Ironie zu seiner Nichte Lili: »Dein Mann
wird einmal ein Denkmal bekommen. Und auf dem Sockel wird stehen: Er war einer
der wenigen österreichischen Arier, die nach dem 11. März 1938 nicht vergessen haben,
was Menschenwürde ist.« 92
Ernst Lothar hatte also eine ziem
lich klare Vorstellung von seinem neuen Roman,
das Konzept stand, der erste Teil des Buchs war auf 232 maschinengeschriebene
DIN-A4-Seiten angewachsen,93 dennoch war er nicht in der Lage, die Arbeit
zu beenden:
Zwar begann ich einen Roman »Das neue Verbrechen« – das der Rasse –, allein ein
gebrochenes Rückgrat fördert aufrechte Arbeit nicht. […] [I]hn […] zu schreiben […]
vermochte ich damals noch nicht. So gab ich es auf, und da der Verleger sich zu einem
VorschuĂź nicht verstand, muĂźte entweder eine andere Einnahmequelle gefunden
werden oder –
Wir erwogen dieses sich anbietende Oder ernst
lich. Unser Zimmer sah in einen
Lichtschacht, mindestens vierzig Meter tief. Das Fensterbrett war breit. Wir wĂĽrden
einander an den Händen halten – immer öfter blickten wir in den Abgrund.94
92 Ebd., S. 6 f.
93 Im Burgtheaterarchiv befindet sich das Manuskript zu dem Roman, es umfasst 373 DIN-A4-
Seiten und endet im elften Kapitel (S. 352), das bereits zum zweiten Teil, Gleichheit, gehört. Der
erste Teil umfasste sieben Kapitel (S. 1 – 239). Das in Lothars Nachlass verwahrte Typoskript
bricht mitten im sechsten Kapitel, das noch zum ersten, Freiheit betitelten Romanteil gehört,
ab, die Handlung endet also noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs (EL: Das neue Ver-
brechen. Roman einer Familie und eines Zeitalters. Typoskript mit handschrift lichen Kor-
rekturen. 232 S. WBR, ZPH 922a). Auch fehlen sowohl in der handschrift lichen als auch
der maschinengeschriebenen Ausarbeitung des Neuen Verbrechens Seiten (im Typoskript die
Seiten 162 – 184, im Manuskript die ersten 39 Seiten, des Weiteren S. 119 – 124, 161 – 170 sowie
S. 327 f.).
94 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 155. 1938 – 1946:
Exil154
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar HeiĂźler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478