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[W]essen Arbeitszeug die Sprache ist, hat in der Fremde sein Arbeitszeug verlo-
ren. […] Und die eigene Sprache zu einem Zeitpunkt verloren zu haben, da man
end lich nicht nur ihre Gesetze kannte, sondern ihre Geheimnisse – vor einem Blatt
Papier sitzen und so schreiben müssen, daß es übersetzbar sei, auf den Stil verzich-
tend, der den Mann macht, das war eine unbekannte, abscheu liche Marter […].337
Franz Werfel hatte Lothar geraten, beim Schreiben nicht an die Übersetzer zu
denken, »die ja immer alles ruinieren« 338, sondern weiterhin so zu schreiben wie
bisher. In den Briefen Lothars an Elizabeth Hapgood kommt zum Ausdruck,
dass die Übersetzung des Engels mit der Posaune als eine Art gemeinschaft-
liches Projekt gesehen wurde. In vielen Dingen ist Lothar bereit, auf Hapgoods
Einwände einzugehen. In Bezug auf die Übersetzung einzelner Wörter findet
häufig ein Feilschen statt. Dem siebenten Kapitel im dritten Teil des Romans
gab Lothar beispielsweise den Titel »Die Durchgefallenen«, der sich darauf
bezieht, dass Adolf Hitler, als er im Oktober 1907 gemeinsam mit 111 weite-
ren Kandidaten zur Aufnahmeprüfung in der Wiener Kunstakademie antrat,
ebenso wie 83 seiner Kollegen die Prüfung nicht bestand, also »durchfiel«.339 In
der eng lischen Übersetzung ist dieses Kapitel mit »The failures« überschrieben,
ein Titel, der einen ziem
lich großen Interpreta
tionsraum lässt. Noch an einigen
anderen Stellen in dem Buch wird auf »die Durchgefallenen« Bezug genom-
men, und zwar im Zuge der Machtergreifung Hitlers in Deutschland und der
Okkupa tion Österreichs. Lothar setzt die Na
tionalsozialisten also mit bei einer
Prüfung Versagenden gleich und möchte hierfür den Ausdruck »the funked«
in der Übersetzung verwendet sehen. Hapgood weist ihn darauf hin, dass dies
doch ein sehr umgangssprach
liches Amerikanisch sei und man besser ein eng-
lisches Wort aus der »Hochsprache« wählen solle. Lothar hingegen beharrt darauf,
dieses Wort zu verwenden, wenn es nicht falsch gebraucht sei. Er schreibe ja
nicht für eng lische, sondern für amerikanische Leser und es sei ihm egal, ob
umgangssprach
lich oder nicht, Hauptsache, es transportiere die richtige Assozia-
tion. Und für ihn seien die Nazis eben »just ›Flunked‹« 340. Schließ lich wurde
es ein Kompromiss: Der Titel war der von Hapgood gewählte (»The failures«),
337 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 140.
338 Ebd., S. 141.
339 Vgl. Michael Ley und Julius H. Schoeps (Hg.): Der Na tionalsozialismus als politische Reli-
gion, S. 126.
340 Vgl. Brief von EL an Elizabeth Reynolds Hapgood. [Colorado Springs,] 20. September 1943.
a. a. O.
»Amerikanischer« Bestsellerautor 201
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478