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zu diesem Thema bei seiner Meinung, allerdings nimmt er hier seine »grotesk
überspitzte Posi
tion« 454 teilweise zurück. In dem im Aufbau erschienenen Arti-
kel Das neue Österreich betont er weiterhin die »Wesensverschiedenheit« der
Deutschen und Österreicher:
Diese aus Blut- und Rassenmischung, Religion, Landschaft und Geschichte stam-
mende Wesensverschiedenheit spricht sich bekannt lich unter anderem darin aus,
dass die Österreicher geborene »Raunzer«, das heißt schwer fügsame, permanent
Kritik-
Übende, mit einem Wort lästige Untertanen sind. Dass sie dem Bequemen
vor dem Heroischen, vielleicht sogar der Anmut vor dem Mut, und jedenfalls dem
Kompromiss vor dem Diktat den Vorzug geben, gehört auch zu ihnen. […] Daraus
folgt: Die Österreicher sind der Demokratie näher als die Deutschen. In jedem Fall:
sie sind leichter zur Demokratie zu erziehen.455
Obwohl er damit »den Deutschen« indirekt eine Anfälligkeit für Diktaturen
attestiert, lenkt er immerhin in Bezug auf ihre kulturellen Leistungen ein:
[E]s stünde mir übel an, in den Augenblickschor einzustimmen, der die Unend lichkeit
deutscher Kulturleistungen an ihrem Versagen gegenüber den Nazis, geschichte-
fälschend, misst. Gerade um diesen Reichtum nicht zu dezimieren, um demokra tische
deutsche Kulturarbeit der Atmosphäre von Verdacht und Vorurteil zu entziehen, halte
ich es für geboten, dass Österreich, zumindest für eine Übergangszeit, eines ihrer
Zentren, wenn nicht das Zentrum wird.456
An seinen Vorstellungen von »der kulturelle Unentbehr lichkeit Österreichs für
die Welt« und von Wien als Kulturhauptstadt des deutschsprachigen Raums hält
Lothar also fest. Eva Kolmer, Mitbegründerin und Generalsekretärin des Free
Austrian Movement (FAM) in Großbritannien sowie Mitarbeiterin des Austrian
Centre und des Council of Austrians in Great Britain,457 teilte Lothars Meinung
von einer »historische[n] Notwendigkeit eines freien, demokratischen und unab-
hängigen Österreich und seiner Wiederherstellung«. Auch Lothars »Appell
für die Wiedergeburt Wiens als geistigen Zentrums und Hüterin des großen
454 Konstantin Kaiser: Zur Diskussion um Kultur und Na tion im österreichischen Exil, S. 1064.
455 EL: Das neue Österreich. Irrtümer und Aufgaben. In: Aufbau, 6. 7. 1945, S. 5 f.
456 Ebd., S. 6.
457 Vgl. Charmian Brinson: Eva Kolmer and the Austrian Emigra tion in Britain.
Tätigkeiten in Exilorganisationen und Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich 225
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478