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hohlwangig, mit abgetragenen Salzburger Jacken, Kniestrümpfen, Steirerhüten. […]
In der Babenberger
straße, nächst dem Kunsthistorischen Museum, dem eine Kup-
pel fehlte, erhob sich unförmig ein Schuttberg aus Überresten von Zerbrochenem;
dazwischen wucherte Unkraut. […] Wir fuhren an der Oper vorbei, die kein Dach
und nur eine halbe Fassade hatte […]. […] »Ami go home!« schrie ein Halbwüchsi-
ger, als wir ausstiegen. Wir waren wieder da.5
Vorerst bezogen Ernst Lothar und Adrienne Gessner im Hotel Bristol, neben
der Wiener Staatsoper, Quartier. Seinen in den USA gebliebenen Freunden –
Torbergs, Polgars, Ullmanns, Armin Berg, Lili Darvas, Paula Janower – berichtet
er über seine Wahrnehmungen:
»Through channels« werden Sie die Umrisse unserer bisherigen Erlebnisse erfahren
haben. Mehr als Umrisse – noch weniger: Andeutungen aber kann man beim besten
Willen nicht geben. Was man sagt[,] ist falsch, schreibt man es aber, dann wird es, durch
den Anschein der Gültigkeit, noch falscher. Hier sind die Andeutungen der Umrisse.
Das Wiedersehen mit Wien, das schon in Buchs beginnt und sich – in den Bahn-
höfen von Innsbruck und Kitzbühel, wo Wetterfecke, Dirndln, Spielhahnstöße 6 eine
Art jour fix abhalten, um die aus dem Ausland Einreisenden zu sehen, Aristokra-
ten, »Habe die Ehre, Ergebenster!«-Beamte u. dgl[.] – gesellschaft
lich verschärft, ist
erschütternd. Es erzeugt eine Konfusion, von der ich mich, obschon sie jetzt fast 14
Tage dauert, noch nicht erholt habe. Die Verwüstungen sind unend lich stärker, um
sich greifender und definitiver, als wir pessimistisch erwartet hatten. Nein, so hatte
ich es mir nicht vorgestellt. Es gibt fast keine Gasse, die verschont blieb. Die Trüm-
mer, von der Fahrbahn weggeräumt, häufen sich trotzdem überall auf den Trottoirs,
nirgendwo, auch nicht im »Freien«, kann man vergessen, was geschehen ist. Alt, uralt,
verwittert, vergrämt, erbittert, mager zum Skelett – Menschen, Mäuse, ja sogar die
Bäume. Das Jüngste Gericht, und es hat das Alte greisenhaft gemacht.
Was am meisten auffällt, ist die Totenleere der ruinierten Straßen. Da außer der
Elektrischen kein Verkehrsmittel existiert, häufen sich Wartende an den Haltestel-
len – sonst ist von Lebendem wenig zu sehen. In der Kärntnerstraße – d. h. in ihrem
noch erkennbaren Skelett – habe ich kürz
lich, auf dem Hin- und Rückweg, 14 Leute
getroffen. Sie tragen steirische Jacken, Tiroler- Hüte, Kniehosen, die Frauen sind
bekleidet – ich weiß nicht wie. Wenn für den Begriff »geschlagen« ein Monument
errichtet werden sollte – hier steht es apokalyptisch.
5 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 292.
6 Hutschmuck aus Federn des Birkhahns. 1946 – 1950:
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Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478