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Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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und sie sind die ersten, die vernehm lich rufen – mit einer Vernehm lichkeit, die die jüdische Rachesucht zwar nicht nennt, aber meint: »Breiten wir den Mantel der christ lichen Nächstenliebe darüber. Ziehen wir einen Strich. Vergeben und verges- sen.« Wenn man blasphemisch wäre, könnte man sagen, dass es diese Überlebenden des Grauens nicht schwer haben, jetzt so zu sprechen, da sie ja überlebt [haben] und außerdem regieren. Und dass hier etwas fast Diabo lisches geschieht. Den 6 Millio- nen Vergasten stehen ich weiß nicht wie wenige arische Opfer gegenüber. Aber diese wenigen fühlen sich berechtigt, die 6 Millionen noch nachher mores zu lehren, indem sie den Sühneanspruch mit christ licher Nächstenliebe einfach wegeskamotieren und, sich in die Brust werfend, als Regierungschefs, Minister, amtsführende Stadträte oder was immer sie jetzt sein mögen, sagen: »Seht uns an! Wir sind Opfer der Nazis und sind zum Vergeben bereit. Wenn wir es tun, die so viel gelitten haben, wie sollten es da nicht alle andern auch?« Sie sagen das in fehlerhaftem Deutsch, mit einer Rhe- torik, die der Hitlers zum Erschrecken gleicht. Das Argument ist so stark, optisch und phonetisch, dass nichts daneben aufkommt. Noch dazu, denn das Teuf ische findet ja so leicht den himm lischen Segen, drapiert es sich in den Mantel der Kirche. Sie, die unter Hitler so epochal versagte, hat ihren guten Magen wieder einmal zum Auffressen der geschicht lichen Wahrheit und zum Ausspeien der Menschlichkeit benützt. Sie regiert, als wäre nichts geschehen. Und sie segnet und verfucht wie eh und je. Vor dem Kardinal,60 der Heil Hitler schrie – ich saß kürz lich hinter ihm bei einer Aufführung der »Ersten Legion« –[,]61 beugen sich die vor Kälte Bibbernden, die nicht genug zu essen haben, mit der Bitte um Segen. It[’]s all very complicated and not so nice either. Je genauer man unter die Räder sieht […], desto weniger Hoffnung hat man, dass die ruinierte ungeölte Maschine wie- der in Gang kommen kann. Und was haben wir dabei und damit zu schaffen? Haben wir die acht Jahre Hitler ertragen müssen, um einen Strich darunter zu ziehen und vor den amtsführenden Stadträten zu verleugnen, wer wir sind und was wir gelitten haben? Das muss jeder so beantworten, wie er kann und darf. Ich bin pathetisch geworden, womit ich mich an sich ins Unrecht gesetzt habe. Aber ich wollte Ihnen nicht den mildesten Zweifel daran lassen, wie ich es sehe. Entschließt 60 Kardinal Theodor Innitzer, von 1933 bis 1955 Erzbischof Wiens, gab mit den österreichischen Bischöfen am 18. März 1938 eine Loyalitätserklärung an das NS-Regime ab: Die »Feier liche Erklärung« der Bischofskonferenz zu der für den 10. April 1938 angesetzten Volksbefragung unterzeichnete Innitzer mit »Heil Hitler«. Dieses Dokument wurde u. a. für Plakate und Flug- blätter verwendet, Innitzer wurde damit zum Propagandisten für das »Dritte Reich«. Vgl. Maximilian Liebmann: »Heil Hitler« – pastoral bedingt, S. 82 ff. 61 Gemeint ist die Aufführung von Emmet Laverys The First Legion im Theater der Stephans- spieler in Wien, das im Oktober 1946 eröffnet wurde. »Als Allgewaltiger in Wien«: Amerikanischer Kulturoffizier 255 Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Ernst Lothar Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Ernst Lothar
Untertitel
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Autor
Dagmar Heißler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20145-8
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
484
Schlagwörter
österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Einleitung 9
  2. 2. Quellenlage 15
    1. 2.1 Primärquellen 15
    2. 2.2 Sekundärquellen 16
  3. 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
  4. 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
    1. 4.1 Kritiker und Kulturfunktionär 53
    2. 4.2 Gegenseitigkeitskorruption und »unerwünschtes Schrifttum« 63
    3. 4.3 Ein »starkfäustiger Ankläger« der Gesellschaft? 79
    4. 4.4 »Des Burgtheaters Sonntagsregisseur« 88
  5. 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
  6. 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
    1. 6.1 Emigrant 135
    2. 6.2 Eine »Österreichische Bühne« in New York 150
    3. 6.3 College-Dozent 174
    4. 6.4 »Amerikanischer« Bestsellerautor 193
    5. 6.5 Tätigkeiten in Exilorganisationen und Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich 213
  7. 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
    1. 7.1 »Als Allgewaltiger in Wien«: Amerikanischer Kulturoffizier 243
    2. 7.2 »Literatur-, theater- und Österreich-belastet« 266
  8. 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
    1. 8.1 »Amerikanischer Söldling, Kommunist, Reinhardt- und Hofmannsthal-Schänder«? 293
    2. 8.2 Burgtheaterkrise und Salzburger Festspiele 311
    3. 8.3 Vorstandsmitglied des Wiener P. E. N.-Clubs, Ehrenmitglied der Concordia, Rücktritt als Salzburger Schauspielchef 321
  9. 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
    1. 9.1 Panorama eines österreichischen Schicksals 335
    2. 9.2 Ehrungsreigen 344
    3. 9.3 Der letzte Vorhang 361
  10. 10. Schluss 373
  11. Literaturverzeichnis 385
  12. Anhang 415
  13. Bibliographie Ernst Lothar 415
  14. Selbstständige Publikationen 415
  15. Unselbstständige Publikationen 421
  16. Inszenierungen 464
  17. Zeittafel 467
  18. Personenregister 473
  19. Werkregister 478
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