Seite - 257 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Bild der Seite - 257 -
Text der Seite - 257 -
der österreichischen Bundestheaterverwaltung Egon Hilbert,67 der »() einen
Exilanten zum Direktor machen (wollte), um damit einen politisch unbelasteten
künstlerischen Neuanfang zu signalisieren« 68, Ernst Lothar »Instruk tionen über
den Dienst bei der Bundestheaterverwaltung« mit der Bitte, »das Schriftstück
streng reservat zu behandeln«.69 Als ein weiterer Kandidat wurde, »nicht zufällig
auf Anregung Buschbecks« 70, Berthold Viertels Schwager Josef Gielen gehandelt.
Die vier vom Burgtheaterensemble nominierten Vertreter Otto Treßler, Herbert
Waniek,71 Hermann Thimig und Karl Eidlitz überreichten Unterrichtsminister
Hurdes »eine Denkschrift, in welcher ersucht wurde, die Krise des Theaters
durch die Berufung Ernst Lothars als Burgtheaterdirektor zu lösen« 72, und in
der die Kandidaten Gielen und Lothar miteinander verg
lichen wurden: Ihre
Arbeit lasse sich mit dem »Unterschied zwischen dem Ordent
lichen und dem
Außerordent lichen« erklären, Gielens Inszenierungen seien »sauber und ordent-
lich«, Lothars hingegen »außerordent lich und beispielgebend«. Neben diesem
»unleugbaren Klassenunterschied« verfüge Lothar nicht nur über »Erfahrung
im Verkehr mit allen maßgebenden Stellen«, Kenntnisse der Literatur, des Thea-
ters und fremder Sprachen, er könne außerdem »eine erfolgreiche Direk tion auf
Wiener Boden« 73 vorweisen.
67 Hilbert hatte 1945 für die D-Sec
tion (Intelligence Sec
tion der ISB), die sich mit der »Fakten-
findung zur Durchführung der Entnazifizierungspolitik« beschäftigte, als Informant gearbeitet
(Oliver Rathkolb: Ernst Lothar, S. 336) und sich als provisorischer Direktor des Salzburger
Landestheaters um die Reorganisa tion der Salzburger Festspiele bemüht.
68 Nicole Metzger: »Laßt mich, wo ich bin, es mißfällt mir zur Genüge«, S. 129.
69 Brief von Egon Hilbert an EL. Wien, 10. Februar 1947. WBR, ZPH 922a.
70 Lucian O. Meysels: Die Welt der Lotte Tobisch, S. 54. – Lothar selbst schrieb später an Buschbeck:
»Ich weiß, daß Sie mir gegenüber nicht ohne Vorurteil, oder sagen wir bei einem Manne Ihrer
kritischen Gabe von versiertem Urteil sind« (Brief von EL an Erhard Buschbeck. o. O., 6. Januar
1949. ÖNB, H 40/79, 992/26-4).
71 Burgtheater-
Regisseur Waniek – Mitglied des sogenannten Achter-
Ausschusses des Burg
theaters,
der am 1. Juli 1947 durch die Vollversammlung der Künstler des Burgtheaters ins Leben gerufen
worden war – schrieb, er habe schon »im Herbst 1945, als alles noch sehr im Fluss war« und
man sich einmal bezüg
lich der Übernahme der Direk
tion an ihn wandte, geantwortet: »Solange
es einen Besseren gibt, komme ich nicht in Frage. Der Bessere ist Lothar« (Durchschlag eines
Briefs von Herbert Waniek. Wien, 9. Dezember 1947, WBR, ZPH 922a). – Als Waniek im
Frühjahr 1949 verstarb, hielt Ernst Lothar am Hietzinger Friedhof »eine dichterisch empfun-
dene Abschiedsrede« (Josef Mayerhöfer (Hg.): Herbert Waniek, S. 24).
72 Joseph P. Strelka: Ernst Lothar, S. 62 f. – Lothar zitiert diese »Denkschrift« in seiner Autobio-
graphie (EL: Das Wunder des Überlebens, S. 327 f.).
73 Vgl. Durchschlag eines Briefs von Herbert Waniek. Wien, 9. Dezember 1947, WBR, ZPH 922a.
»Als Allgewaltiger in Wien«: Amerikanischer Kulturoffizier 257
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478