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Yale- Universität stattfinden.86 Lothar wollte darüber hinaus vermehrt junge
amerikanische Künstler, aber auch Touristen nach Österreich locken. 1946 holte er
den Jedermann anläss
lich der Festspiele auf den Domplatz zurück, »ein Stück ver-
ordneter ›Wiedergutmachung‹: Das Werk der beiden Verfemten Hofmannsthal
und Reinhardt wird wieder eingepfanzt.« 87 Dennoch wurde Das Spiel vom Sterben
des reichen Mannes von vielen als nicht mehr zeitgemäß empfunden, der Kritiker
der Volksstimme meinte: »Jedermann ist uns kein Spiegel mehr; es liegen zu viele
gesprengte Brücken zwischen uns und ihm.« 88 Auch Lothar hatte Bedenken, ob
Jedermann weiterhin gültig sein werde, und suchte nach einem Stück, das ihn
ersetzen könnte,89 wollte aber zumindest eine deutschsprachige Uraufführung
bzw. zwei Premieren pro Jahr bei den Salzburger Festspielen.
Nicht nur dem Sprechtheater galten Lothars Bemühungen bei den Salzbur-
ger Festspielen,90 auch die zeitgenös sische amerikanische Musik durfte er im
Auftrag seiner Behörde nicht vernachlässigen, immerhin fiel ihre Verbreitung
in seinen Aufgabenbereich. Im Rahmen der Festspiele wurden so im Sommer
1946 Samuel Barbers Adagio for Strings und Aaron Coplands Quiet City auf-
geführt. Interven tionen bewirkten die Aufführung von Werken Ernst Křeneks,
Roy Harris’ und Arnold Schönbergs während der Salzburger Festspiele 1947. Die
Theatre & Music Sec
tion der ISB organisierte Auftritte von ausländischen und
emigrierten Künstlern, etwa Yehudi Menuhin, Charles Münch, John Barbirolli
oder Paul Hindemith, während der Festspiele. Nach langwierigen Verhandlun-
gen mit Lothars Abteilung erklärten sich auch österreichische Dirigenten, wie
Karl Böhm, Herbert von Karajan und Josef Krips, dazu bereit, »längerfristig
Orchesterwerke amerikanischer Komponisten in ihr Repertoire aufzunehmen« 91.
Zwischen August 1946 und Mai 1947 kam es in Graz, Wien und Salzburg zur
österreichischen Erstaufführung zahlreicher Werke US-amerikanischer Kom-
ponisten (darunter William Schuman, Walter Hamor Piston Jr., Virgil Thomson,
86 Vgl. Monthly Report (Theater & Music Sec
tion) von Ernst Lothar an Chief ISB. o. O. [Wien,]
30. November 1947. a. a. O.
87 Andres Müry: Jedermann darf nicht sterben, S. 46.
88 Zitiert nach ebd.
89 Bereits Ende August 1947 fragte er bei Zuckmayer diesbezüg
lich an, dieser sagte zu, ein Stück zu
schreiben, für dessen Hauptrolle Helene Thimig vorgesehen war (Gisela Prossnitz: Jedermann.
Von Moissi bis Simonischek, S. 45).
90 Vgl. dazu EL: Es muß für alle gespielt werden. In: Forum. Österreichische Monatsblätter für
kulturelle Freiheit, 7/8 (1954), S. 25 f.
91 Otto Karner: Kulturpolitische Rahmenbedingungen in Österreich am Beginn der Zweiten
Republik, S. 44. 1946 – 1950:
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Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478