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verpfichtet fühle, da er für sie und ihren Mann Attila Hörbiger »sehr, sehr viel
unternommen« habe, um ihnen »den Arbeitsmarkt im Film überhaupt wieder
zu erschließen« 157. Daneben war es im Engel mit der Posaune nicht notwendig,
»Paula Wessely in der ›heiklen‹ Zeit zwischen ›Anschluss‹ und Kriegsende prä-
sentieren zu müssen« 158, schließ lich stirbt die Protagonistin Henriette Alt kurz
nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Wien 1938: Während Lothar
in seinem Roman die weib liche Hauptfigur von SA-Männern ermorden lässt,
wählt Wessely für ihre Figur »den Freitod in derselben Situa tion und auf dieselbe
Weise wie ihr Freund Egon Friedell. Auch er ›entkam‹ der Verhaftung durch
die Na tionalsozialisten, indem er sich aus dem Fenster stürzte.« 159 Hatte Paula
Wessely noch 1941 in dem na tionalsozialistischen Propagandafilm Heimkehr
eine »SS-Braut« verkörpert, so spielte sie nun »die ras
sisch Verfolgte und in
den Tod Getriebene: In diesen Jahren, als die politische Verantwort
lichkeit von
NSDAP-Mitgliedern und Mitläufern noch öffent
lich diskutiert wurde, wurde
so etwas als Leistung im Sinne von Wiedergutmachung und Sühne, als Leis-
tung für den Aufbau eines neuen Österreichs verstanden.« 160
Der Engel mit der Posaune war eine geeignete Romanvorlage für einen »›Öster-
reichfilm‹, der die große monarchistische Tradi tion wiederaufeben ließ […]
und zudem den Opfermythos implizierte« 161. In dem 138-minütigen Film, der
die Geschichte der Klavierbauerfamilie Alt von der Monarchie bis zum Ende
des Zweiten Weltkriegs erzählt, sind 84 Minuten der Monarchie und 13 dem
Na
tio
nalsozialismus gewidmet, die übrigen teilen sich auf Zwischen- und Nach-
kriegszeit auf, der Erste Weltkrieg wird »durch Dokumentaraufnahmen und
Einblendungen von Zeitungen versinnbild licht« 162: »Der Schwerpunkt der Dar-
stellung lag also in [sic] der Monarchie, während der Na tionalsozialismus nur
157 Brief von Paula Wessely an Rudolf Steinboeck. o. O., 4. Mai 1947. Zitiert nach Gernot Heiß:
Paula Wessely. Kritik im Wandel der Zeiten, S. 372.
158 Armin Loacker: »Viel zu gut für die Bagage, die ins Kino geht«, S. 169.
159 Ebd., S. 170.
160 Gernot Heiß: Paula Wessely. Kritik im Wandel der Zeiten, S. 372. Vgl. dazu auch Elfriede
Jelineks 1982 publizierten Theatertext Burgtheater. Posse mit Gesang, in dem anhand des Wessely-
Hörbiger- Clans – als Repräsenta tionsfiguren Österreichs – eine opportunistische Schau-
spielerfamilie in den Jahren 1941 – 45 in ihrem Bemühen gezeigt wird, die gespielten und zu
spielenden Rollen den veränderten Zeitläufen anzupassen. Jelinek zitiert hier u. a. Wesselys
Hauptrolle in dem Film Heimkehr und ihre Rolle als Henriette Alt im Engel mit der Posaune.
Vgl. dazu ausführ lich Evelyn Annuß: Elfriede Jelinek, S. 120 – 131.
161 Karin Moser: »Frauen sind da doch wieder anders …«, S. 310.
162 Mona N. Schubert: Österreichische Identität im Film der Nazizeit, S. 279.
»Literatur-, theater- und Österreich-belastet« 271
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478