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Verwandlung durch Liebe erschien schließ lich 1951 bei Zsolnay,15 5600 Exem-
plare wurden insgesamt gedruckt. Der Verlag verleiht im Klappentext des
Buchs seiner Überzeugung Ausdruck, Lothar hätte mit diesem fast durchweg
im Präsens geschriebenen Roman sein bisheriges episches Schaffen gekrönt,
und sieht in dem Schicksal der Romanheldin »das brennende Problem unserer
Genera tion: die Überwindung zeitbedingter Hoffnungslosigkeit und gehässiger
Verbitterung« geschildert. Mit der zu Unrecht Verurteilten sei »ein bedeuten-
des Symbol zur dichterischen Gestalt geworden: das des Menschen, der die
Kraft aufbringt, das Gesetz der Liebe über Justizgerechtigkeit und Dogmatik
zu erheben.« 16 Insofern lag für einige Rezensenten ein Vergleich mit Lothars
Sterbehilferoman nahe, in Verwandlung durch Liebe werde »das erregende
Thema der ›Mühle der Gerechtigkeit‹ wieder aufgenommen« 17. Manch einer
war der Meinung, die Figur der Marianne Erdlehner könne »neben den besten
Gestalten der Ebner- Eschenbach und Ludwig Anzengrubers bestehen«, und
erblickte in dem der Romanhandlung vorangestellten Schopenhauer- Motto
den Hinweis auf »das ethisch fundierte Vorhaben des Dichters«.18 Le Monde
sah in dem Buch gar »mehr als einen Roman«, näm lich »eine Bereicherung
unserer Existenz«.19
15 EL: Verwandlung durch Liebe. Roman. Wien: Zsolnay 1951. 456 S. Verwandlung durch Liebe
wurde ins Schwedische und Niederländische übersetzt, die schwedische Übersetzung über-
nahm Eva Marstrander, die 1950 bereits den Engel mit der Posaune und 1951 Die Rückkehr ins
Schwedische übertragen hatte (vgl. Vertrag zwischen Förlag A. B. Forum und dem Verlag Das
Silberboot. WBR, ZPH 922).
16 Vgl. auch Felix Hubalek: Der österreichische Roman. In: Arbeiter- Zeitung, 9. 12. 1951, S. 20.
17 Wort in der Zeit, 6 (1960), S. 6.
18 Bibliothek und Informa
tion, 1 – 6 (1952), S. 384; Books abroad, 27 (1953), S. 151.
19 Friedrich Schreyvogl zitiert diese Rezension in seiner Einleitung eines Lothar- Buchs (EL: Die
Tür geht auf. Notizbuch der Kindheit. Eingel. von Friedrich Schreyvogl. Graz, Wien: Stiasny
1963, S. 21). Nicht alle Leser empfanden Verwandlung durch Liebe als existenzbereichernd. Eine
Stelle in dem Roman erboste besonders einige weib liche Postbedienstete aus dem Salzburger
Land: Die Romanheldin Marianne trifft auf ihre Schwestern Helene und Tilly, »und Tilly schaut
gespannt, ob die Autorität in Fragen eleganter Erscheinung, die Marianne für sie bedeutet, ent-
setzt von Helene sein wird. Tilly jedenfalls kommt Helene […] ohne jeden Schick vor. Und
wie sie sich anzieht! Wie ein Postfräulein aus St. Johann im Pongau!« (EL: Verwandlung durch
Liebe, S. 73). Die zehn Postfräulein aus St. Johann im Pongau schrieben Lothar daraufhin einen
Brief mit der Aufforderung zu einer Stellungnahme bzw. Richtigstellung; sollte er dem nicht
nachkommen, sähen sie sich gezwungen, sich »auf recht
lichem Wege Genugtuung zu verschaf-
fen« (Brief der Postfräulein von St. Johann im Pongau an EL. St. Johann im Pongau, 7. Februar
1956. WBR, ZPH 922a). 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der
unerbittlichste«296
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478