Seite - 300 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Bild der Seite - 300 -
Text der Seite - 300 -
aktiven, Gruppe von malevolenten Künstlern und deren Anhang inszeniert«
werden würde, schaltete aber dennoch auf Lothars Wunsch Zeitungsartikel,
wonach die Neuinszenierung sehr wohl »mit der gebotenen Pietät« durchge-
führt werden würde.40
Gleichzeitig bot der Wechsel des Regisseurs die Mög lichkeit, wieder einmal
grundsätz lich über einen Ersatz für den Jedermann nachzudenken. Auf der
Suche nach einem geeigneten Autor für ein anderes Frei licht- Festspiel hatte
Gottfried von Einem auf Betreiben Caspar Nehers und Oscar Fritz Schuhs 1949
Bert Brecht kontaktiert, der zusagte, einen neuen Jedermann zu schreiben. Als
Dank für diesen Salzburger Totentanz (»Moral: mit dem Tod kann man keine
Geschäfte machen«, wie Brecht 1949 an von Einem schreibt)41 sollte der zu
diesem Zeitpunkt Staatenlose die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten.
»Tatsäch lich wurde Brecht in aller Stille die Staatsbürgerschaft zugeschanzt.
Als er sie hatte, warf er das Manuskript seines Festspiels in den Papierkorb
und schrieb an von Einem, daß er nicht daran denke, nach Salzburg zu über-
siedeln.« 42 Die Tatsache dieser Staatsbürgerschaftsverleihung im April 1950
wurde dann durch eine Indiskre tion 1951 publik, von Einem wurde aus dem
Direktorium der Salzburger Festspiele ausgeschlossen.43 Da das Einbrechen
des »Edelmarders« Bertolt Brecht »in den Salzburger kulturellen Hühner-
stall« 44 gerade noch verhindert worden und mittlerweile auch der Kalte Krieg
ausgebrochen war, beschlossen die österreichischen Bühnen auf Betreiben von
Hans Weigel und Friedrich Torberg in der Folgezeit einen generellen Boykott
des Kommunisten Brecht.45 Torberg startete in der von ihm herausgegebenen
Zeitschrift Forum eine Umfrage, ob Brecht in Österreich gespielt werden
solle oder nicht. Das Theater- und Kulturmagazin Die Bühne wiederholte die
Forum- Umfrage; Ernst Lothar sprach sich gegen einen derartigen Brecht-
Boykott aus,46 sein ehemaliger Schwiegersohn Ernst Haeusserman hingegen
war dafür. Lothar, der damals »als einer der wenigen nichtkommunistischen
40 Vgl. Briefe von Heinrich Puthon an EL. Salzburg, 22. und 24. Dezember 1951. WBR, ZPH 922a.
41 Kurt Palm: Vom Boykott zur Anerkennung. Brecht und Österreich, S. 50.
42 Der Spiegel, 12. 12. 1951, S. 40.
43 Vgl. dazu Thomas Eickhoff: Politische Dimensionen einer Komponisten-
Biographie, S. 165 – 172.
44 So formulierten es die Salzburger Nachrichten (Die Presse, 10. 8. 2007).
45 Friedrich Torberg war in den 1940er Jahren »Source A«-Informant des FBI gewesen und
hatte »schon damals gegen Bert Brecht gearbeitet« (Alexander Stephan: Im Visier des FBI,
S. 39).
46 Forum, 57 (1958), S. 329 – 334; Die Bühne, 9 (1959), S. 26 ff., hier S. 28.
1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der
unerbittlichste«300
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478