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daran war, Burgtheaterdirektor zu werden, wurde damals vom Ensemble einmütig abge-
lehnt. Vermut
lich, weil er als amerikanischer Kulturoffizier gleichsam mit dem Auftrag
und dem Ansporn auftrat, eine Art Burgtheater-
Reeduca
tion durchzuführen. Und in
diesem Punkt ist man […] in Burgtheaterkreisen empfind lich. […] Denn es geht nicht
um die Vergebung irgendeines Theaterpostens, es geht um die immer noch ehrwürdigste
und erste Bühne deutscher Zunge.112
Oskar Maurus Fontana sprach sich für Ernst Lothar als Direktor aus, Friedrich
Heer meinte, neben Lothar seien auch Lindtberg und Schuh geeignet. Hans
Weigel aber erstellte eine Liste mit Gründen, warum Ernst Lothar seiner Mei-
nung nach nicht Burgtheaterdirektor werden dürfe:
Der Regisseur Lothar, für das Kammerspiel hochbegabt, versagt immer wieder, wenn
er Mengen und Massen zu bewegen hat.
Der Dramaturg Lothar pfegt Grillparzer umzudichten (von 105 Versen des »Treuen
Dieners« etwa blieben nur 13 unverändert) und hat Raimunds »Verschwender« ame-
rikanisiert.
Der »Amerikaner« Lothar hat sich mit Karl Paryla gegen den Salzburger Erzbi-
schof verbündet.
Der Theatermann Lothar hat den Protest unzähliger großer und kleiner Schauspieler
ausgelöst, als er Helene Thimig und das Andenken Reinhardts brüskierte.
Eine Geheimabstimmung im Burgtheaterensemble würde knapp zehn Prozent für
diesen Kandidaten ergeben. Man veranstalte sie!
Da wir den Wildgans, den wir bräuchten, leider nicht haben, stelle ich zur Diskus-
sion (in alphabetischer Reihenfolge): Lindtberg, Schreyvogel, Schuh. Jeder von ihnen
würde die Sache über die Person stellen und trachten, einem europäischen Theater
seinen Rang wiederzugeben. Keiner verfügt allerdings über Propagandisten, die ihn
als Engel ausposaunen.113
Kurz darauf erfuhr Lothar, dass Gielen die Burgtheaterdirek tion mit 1. Juli 1954
zurücklege und ihn als seinen Nachfolger vorgeschlagen habe. Leopold Lindtberg,
der seinerzeit auch gefragt worden sei, habe »die Eignung nicht«, der neueste
Bewerber um den Direktorenposten sei der Romanschriftsteller Frank Thiess.
Zu diesen Gerüchten meinte Lothar:
112 Berichte und Informa tionen, 414 (1954), S. 14 f., hier S. 15.
113 Bild, 7. 4. 1954.
Burgtheaterkrise und Salzburger Festspiele 313
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478