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Als Grundlage für das Filmmanuskript mit dem Titel Das neue Verbrechen,
das Lothar nach Bonn sandte, diente ihm sein in der Emigra
tion begonnener
gleichnamiger Roman. Für den Film hatte er diesen geringfügig abgeändert.
Lebt die jüdische Familie Weißenberg im Exilroman in Wien, so ist der Ort
der Handlung nun Berlin und die Familie heißt Weißberg. Huldigt Emanuel
Weiß(en)berg ursprüng
lich Kaiser Franz Joseph I., so wird dieses Glück nun
Bismarck zuteil. Namen der Romanfiguren, ihre Professionen und Eigenheiten
finden sich eins zu eins im Filmmanuskript wieder (die einzige leichte Abwei-
chung besteht darin, dass aus »Peter Gerler« in der deutschen Version ein »Peter
Gehrke« wird). Das Filmszenario streift die Geschichte Deutschlands von 1871
bis 1938 (gesetz lich festgeschriebene Gleichbehandlung bzw. Emanzipa tion
der Juden in Deutschland 1871; Erster Weltkrieg, Januaraufstand/Spartakus-
aufstand 1919, Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933, »Nürnberger
Gesetze« 1935 und deren Auswirkungen), sie wird, wie schon im Engel mit der
Posaune, mit der Geschichte einer Familie verknüpft. Lothars Filmmanuskript
umfasst 44 mit der Schreibmaschine getippte DIN-A4-Blätter, auf denen in
sieben Kapiteln die Geschichte dreier Genera
tionen abgehandelt wird.160 Das
letzte Kapitel zeigt die emigrierenden Gehrke-
Weißbergs auf einem Übersee-
dampfer mit dem Ziel Amerika. Optimistisch endet das Filmmanuskript mit
dem Blick auf die Familie, wie sie gemeinsam den »hellerleuchteten Raum« im
Schiffsinneren betritt, wo »die Dinnermusik begann«.
So hoffnungsvoll Lothars Filmszenario schließt, so wenig erfüllte es die
vom deutschen Bundesministerium genannten Anforderungen. »Der Dank
der Heimatvertriebenen an die Einheimischen« und vice versa kommt nicht
einfach nur zu kurz, sondern wird gar nicht thematisiert. Darüber hinaus hatte
das deutsche Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegs-
geschädigte weniger die vertriebenen Juden als vielmehr die elf bis dreizehn
Millionen vertriebenen »deutschen Volkszugehörigen« (»Heimatvertriebene«)
im Blick, die als Folge des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat in den damali-
gen deutschen Ostgebieten (die Landstriche öst
lich der Oder- Neiße- Linie,
die nach 1945 an Polen und Russland fielen) oder im ehemaligen Österreich-
Ungarn verlassen mussten und in dem rest lichen Teil Deutschlands sowie in
Österreich aufgenommen wurden.161
160 Das Filmmanuskript Das neue Verbrechen befindet sich in Ernst Lothars Nachlass (WBR,
ZPH 922a).
161 Vgl. Gerhard Reichling: Die Heimatvertriebenen im Spiegel der Statistik, S. 23; vgl. auch Olga
R. Gulina: Rechtspolitische und recht liche Probleme der Zuwanderung, S. 84.
Wiener P. E. N.-Club, Concordia, Salzburger Schauspielchef 323
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478