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Auch Lothar selbst wurde anläss
lich seines 65. Geburtstags gewürdigt, aller-
dings ausschließ lich in Form von Zeitungsmeldungen.173 Die Weltpresse etwa
schrieb, dass der als »Hohepriester der Bühne« am Theater in der Josefstadt und
am Burgtheater waltende Lothar sein »ganzes Leben in den Dienst der Kunst
gestellt« habe.174 Mehr auf Lothars literarisches Schaffen ging Oskar Maurus
Fontana ein, der ihn als einen der wenigen verbliebenen Vertreter der »Wiener
Literatur« bezeichnete und festhielt:
Die Unbedingtheit von Ernst Lothars Forderung nach dem Vorrang des Herzens
in allen menschlichen Dingen ist das eine Grundelement seines künstlerischen und
erzählerischen Schaffens; das andere ist das Bekenntnishafte. Jeder seiner Romane
ist darum nicht bloß ein nach strengen Gesetzen aufgebautes und sprach
lich bis ins
Feinste durchgeformtes Kunstwerk, sondern es ist auch ein Bekenntnis zum Huma-
nen, als dem Sinn, der Wurzel und der Sicherung aller unserer Kultur und Gesittung
überhaupt.175
Peter Loos hingegen versuchte in seiner Würdigung, den Bogen von Lothar als
Schriftsteller und Regisseur hin zum »Menschen Lothar« zu schlagen:
So klar, so über den Ereignissen stehend, und so sich darin verlierend, so mitleidsvoll und
so in betrachtender Entfernung (nicht distanziert!) […] steht der Dichter Lothar […]
zur Welt. […] [D]er Schlüssel zum Menschen und Künstler Lothar ist die Wahrheit.
Seine, eine sehr persön
liche Wahrheit, aber eine verantwort
liche Wahrheit. […] Er ist
nicht konziliant. Weder dem Werk, das er inszeniert, noch sich selbst gegenüber. Das
setzt sich bis ins Privatleben fort: Unnahbarkeit, Distanz, Arroganz w[e]rd[en] ihm
nachgesagt; Worte, mit denen man in Wien gerne herumwirft, wenn man Objekti-
vität, gerechtes Urteil und Mangel an Konzession für das geistig Schlamperte spürt,
das man dann gemüt
lich nennt. Nein, gemüt
lich ist Ernst Lothar nicht, wenn es sich
um künstlerische Dinge handelt, und in seinem Leben handelt es sich immer um
künstlerische Dinge. »Man spürt den Hofrat«, sagen die, die ihn unbehag
lich nennen
wollen, und künstlerische Verantwortung ist vielen unbehag
lich.176
173 Etwa: Der Abend, 25. und 26. 10. 1955; Edwin Rollett: Der Dienst am Wesent
lichen. Zu Ernst
Lothars 65. Geburtstag. In: Wiener Zeitung, 25. 10. 1955.
174 Dieser Zeitungsausschnitt liegt einem Brief Lothars an seine Frau bei (Wien, 25. Oktober
1955. WBR, ZPH 922a).
175 Dieser Artikel findet sich als Beilage zu einem Brief Lothars an AG (ebd.).
176 Peter Loos: Ernst Lothar zum 65. Geburtstag. In: Der Abend, 26. 10. 1955.
1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der
unerbittlichste«326
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478