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Ende März 1963 wurde die von ARD und NDR produzierte 91-minütige
Fernsehfassung in Deutschland ausgestrahlt.127 Einige Kritiker sprachen von
einer »Schnitzler- Entstellung« 128, andere davon, dass Lothars Leutnant Gustl
»ein anderer, tra gischerer ›Herr Karl‹« sei und die Dramatisierung »ein ›Kunst-
werk höchsten Ranges‹, da es die österr. Drecksseele so sprechend ähn lich
zeichnet«.129 Es sei ein Fehler, dass Haeusserman das Stück entgegen seiner
AnkĂĽndigung 130 nicht am Theater habe auffĂĽhren lassen.131 1978 wurde diesem
Versäumnis Abhilfe geschaffen: Bei den Bregenzer Festspielen wurde Leutnant
Gustl vom Theater in der Josefstadt unter Walter Davys Regie an drei Abenden
auf die BĂĽhne gebracht,132 die UrauffĂĽhrung fand am 17. August im Theater am
Kornmarkt statt. Die Rezensenten nannten, ĂĽbereinstimmend mit dem GroĂź-
teil der Kritiken aus dem Jahr 1963, die Lothar’sche Dramatisierung eine »allzu
freie Schnitzler- Paraphrase«.133
Zwar fiel die Resonanz auf seine Adap
tion der Schnitzler’schen Novelle
nicht unbedingt positiv aus, dafĂĽr wurde sein schriftstellerisches Schaffen im
Jahr der Fernsehausstrahlung von Leutnant Gustl ausgezeichnet: 1963 erhielt er
den WĂĽrdigungspreis der Stadt Wien fĂĽr Dichtkunst, in Anerkennung seiner
»hervorragenden fach
lichen« und »bedeutenden künstlerischen Leistungen« 134.
127 Die Zeit, 5. 4. 1963, S. 16. – Auch 1965 sendete das deutsche Fernsehen die Filmfassung (vgl.
Die Zeit, 12. 2. 1965, S. 46).
128 Wochen- Presse, 30. 3. 1963; Der Tagesspiegel, 28. 3. 1963; Kurier, 7./8. 9. 1963. – Positiver die
Kritik in der Presse, 7./8. 9. 1963, S. 6.
129 Brief von EL an AG. Wien, 8. September 1963. WBR, ZPH 922a.
130 In einem Mitte Mai 1961 im Auditorium Maximum der Universität Wien gehaltenen Vortrag
sprach Haeusserman noch davon, die UrauffĂĽhrung von Lothars Leutnant Gustl 1962 bringen
zu wollen. Vgl. Ernst Haeusserman: Im Banne des Burgtheaters, S. 76.
131 Vgl. Brief von EL an AG. Wien, 8. September 1963. WBR, ZPH 922a. – Lothar hätte seine
Dramatisierung zunächst selbst inszenieren sollen. Das von Oberst a. D. Gustav Wolff heraus-
gegebene »Nachrichtenblatt Alt- Österreichs« mit dem Titel Die Tradi tion meldete in seiner
Nummer 5/6 (1962), dass nur dank seiner Interven
tion (»unserem ener
gischen Einschreiten«)
beim Unterrichtsministerium die Aufführung des Lothar’schen Stückes verhindert worden wäre.
132 Das ORF-Studio Vorarlberg zeichnete die AuffĂĽhrung fĂĽr das Radio auf, am 16. September
1978 wurde der 105-minütige Rundfunkmitschnitt erstmals gesendet. Anläss
lich des 50. Todes-
tages Schnitzlers zeigte der Bayerische Rundfunk am 22. Oktober 1981 als deutsche Erstaus-
strahlung die ORF-Aufzeichnung von Leutnant Gustl, dramatisiert von Ernst Lothar und in
Szene gesetzt von Walter Davy am Theater in der Josefstadt. Vgl. dazu Sandra Nuy: »Glatte
Worte, bunte Bilder«, S. 55 – 82.
133 Vgl. etwa Badische Neueste Nachrichten, 16. 8. 1978, S. 8. – Die Presse, 19. 8. 1978; Neue Zürcher
Zeitung, 22. 8. 1978.
134 Vgl. Brief von Franz Jonas an EL. Wien, 24. April 1963. WBR, ZPH 922a.
1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes
gelten«356
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Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar HeiĂźler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478