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seine durch die Emigra
tion unterbrochene Direk
tion im Theater in der Josef-
stadt wieder aufzunehmen.
Ist der Theaterdirektor und Regisseur Ernst Lothar nach wie vor bekannt, so
trifft dies auf den Autor Ernst Lothar weniger zu. Er trat zunächst mit Lyrik-
bänden und Novellen an die Öffent
lichkeit. Sein während des Ersten Welt-
kriegs erschienenes Gedicht Italien, das das Verhalten des ehemaligen Bünd-
nispartners in recht drastischen Versen anprangert, ist in seiner Agita tion nicht
mit den frühen Gedichten Lothars, die hauptsäch lich in romantischer Façon
die Natur schildern, zu vergleichen und stellt einen Bruch in seinem Schaffen
dar. Denn nach diesem gereimten »Ausrutscher« veröffent
lichte er fast keine
Gedichte mehr, schrieb zunächst einen für Völkerverständigung werbenden, pazi-
fistischen Essayband mit Weltbürger lichen Betrachtungen, der 1916 erschien, und
1918 dann seinen ersten Roman mit dem Titel Der Feldherr. Hierbei handelt es
sich nicht um ein Kriegsbuch, geschildert wird die Tragödie der menschlichen
Geltungssucht. In seinem Umschwenken von anfäng
licher Kriegsbegeisterung
hin zu einem akzentuierten Pazifismus erinnert er u. a. an Stefan Zweig. Eine
in den 1950er Jahren erschienene Essaysammlung Lothars mit dem Titel Die
bessere Welt kann gemeinsam mit den Österreichischen Schriften als Beleg für seine
Wandlung vom naiven österreichischen, fast rechtsgerichteten Na tionalisten
zu einem interna tionalistischen Humanisten herangezogen werden, den man
schließ lich verdächtigte, ein Kommunist zu sein, obwohl er nie einer war. Man
kann also von einem kosmopolitischen Humanismus Ernst Lothars aus recht
kleinkarierten Anfängen sprechen.
Dieser Wandel lässt sich auch anhand der von Lothar in seinen Feuille-
tons gesetzten Schwerpunkte verdeut
lichen: Die Refexion gesellschaft
licher,
ethischer und mora
lischer Vorstellungen steht bei ihnen im Mittelpunkt, ebenso
ein psycholo gisches Interesse an Kindern, wenig Beachteten, Außenseitern,
Randgruppen. Dabei sind seine Schriften nicht unbedingt als sozialkritisch zu
bezeichnen und mit diesbezüg lichen politischen Forderungen verbunden. Sie
lassen sich dem Themenkomplex »Humanismus/Ethik« zuordnen.
In all seinen darauffolgenden Arbeiten, auch in dem einzigen von ihm erschie-
nenen Drama Ich!, das von den damaligen Rezensenten als »expressionistisch
aufgeputzt« wahrgenommen und in den Kritiken verrissen wurde, blieb er seinen
zuvor genannten Hauptthemen treu. Von Lothars insgesamt in den Jahren seines
Schaffens veröffent
lichten 16 Romanen kann zusammenfassend gesagt werden,
dass in ihnen das Erzählerische und das Abhandeln ethischer Fragestellungen in
eins gesetzt sind. Lothar variierte seine Grundthemen immer nur leicht, wobei
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Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478