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Biographische Notizen
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Ob Lanner Paganini intensiv studiert, vor einem Spiegel nachgemacht hat, ob er jemals ĂŒber seine eigene
Podiumswirksamkeit reflektiert hat, ja, sie ĂŒberhaupt âgeplantâ hat, wissen wir nicht. In den Rezensionen
lassen unschwer Parallelen sich feststellen, die zeigen, wie sehr der Wiener Lokalchauvinismus sich seine
eigenen Virtuosen erschafft, wenn das Original Wien bereits den RĂŒcken gekehrt hat. Der Hunger nach
dem AuĂergewöhnlichen verbindet sich mit einer Vertraulichkeit, die den vereinnahmt, der nicht ent-
schieden dagegen sich zu wehren weiĂ.
âDer wackere Lanner lieĂ seine Wundergeige tönenâ281, war noch einer der harmloseren Schilderungen,
zunehmend mit Bekanntheit und Wirkung wurden die Adjektive blumiger. Lanner wurde als eine Art
Lokalausgabe eines Violinvirtuosen stilisiert (oder stilisierte sich selbst), hatte dabei aber stets Bedacht,
sein Können mit kĂŒnstlerischer Wahrhaftigkeit in Einklang zu bringen. Hans Jörgels EinwĂ€nde gegen
den Virtuosen Ernst282 (Johann StrauĂ Vater setzte ihm mit âErinnerung an Ernst oder Der Carneval in
Venedigâ ein Denkmal), dessen artistische Leistungen eher an Zirkus als an Konzertpodien denken lieĂ,
wurden genussvoll aufgegriffen, hingegen die ehrliche und einfache Kunst eines Lanners gepriesen. Dieser
hatte dennoch von Paganini abgeschaut, wie man als Interpret sich in den Mittelpunkt zu stellen hatte,
um Wirkung zu erzielen. Dass er es nie ĂŒbertrieb, nie weder zu Spott noch zu Nachsicht herausforderte,
war mindestens ebenso Leistung wie seine kĂŒnstlerischen QualitĂ€ten als Komponist.
Romantik â Biedermeier
âIch habe letzthin in dem herrlichen und reizenden Garten-Lokale
âZum guten Hirtenâ Lanners neueste Composition âDie Abenteurerâ gehört,
und wÀhrend die eine HÀlfte meiner Seele gewalzt hat,
hat die andere HÀlfte sinnend und sinnig manchen Tönen gelauscht,
die aus seiner Violine wie lange dunkle Locken hineinflatterten
in die halberhellte Nacht, und sich ThrÀnennaà um Herz und Ohr wickelten.
Seine Violine ist eine DoppelgÀngerin, sie lacht unter ThrÀnen,
ist Heiter und Ernst zugleich, und seine Composition
lÀsst durch tausend zum Tanz verschlungene Gruppen
oft die Perspective auf eine romantische Landschaft
mit melancholischen Schatten und trauernden Genien offen.â
(Theaterzeitung 23. 8. 1834)
Wien am Beginn des 19. Jahrhunderts bot dem Betrachter ein verwirrendes Bild: eine Stadt, die be-
herrscht war von einer vom Zeitalter des Barocks geprÀgten Kultur der Inszenierung, in der Theater und
Oper in HochblĂŒte standen, der Wiener voll Sinn fĂŒr Schaulust und volkstĂŒmliche Unterhaltung war.
In Ăsterreich kĂ€mpfte (antiklerikale) josephinische SpĂ€taufklĂ€rung gegen (antirevolutionĂ€ren und anti-
napoleonischen) christlichen Konservativismus. Romantische (politische) Ideen, von deutschen Literaten
herein getragen, konnten hingegen kaum sich durchsetzen.283
Im frĂŒhen 19. Jahrhundert wurden Theorie und Ăsthetik der Musik zu einem groĂen Teil von Poeten und
Literaten formuliert. E. T. A. Hoffmans bereits erwÀhnte Besprechung der 5. Sinfonie von Beethoven steht
am Beginn und reiht sich in eine lange Liste von Werkbetrachtungen, die mehr ĂŒber den Standpunkt des
Verfassers als ĂŒber die Komposition aussagen. Sie spiegeln wider, was das 19. Jahrhundert â auch â prĂ€gen
sollte: die Funktion des Zuhörers als aktiver Partner des Komponisten (das Werk entsteht im Augenblick der
AuffĂŒhrung, in der Auffassung des Zuhörers), aber auch die prominenter werdende Rolle der Interpreta tion.
281 Theaterzeitung 10. 11. 1831.
282 Zitiert nach: Schönherr, Werkverzeichnis Johann Strauà Vater, a.a.O. S. 198.
283 Siehe die diversen AufsĂ€tze in: Paradoxien der Romantik, hrsg. Aspalter, MĂŒller-Funk, Saurer, Schmidt-Dengler, Tantner,
Wien 2006.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn â Werden â Sein 21
- VorlĂ€ufer â MitlĂ€ufer â Nachfolger 23
- Tanz 28
- BĂ€lle â TanzstĂ€tten â AuffĂŒhrungsorte 32
- Solisten â Ensemble â Kapelle â Orchester 39
- Akademie â AssemblĂ©e â Conversation â Piquenique â RĂ©union 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- WidmungstrÀger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen â Bibliotheken â Sammlungen 101
- FunktionalitĂ€t â Autonomie â Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik â Biedermeier 108
- Strahlender Stern â leuchtender Stern 112
- Rezension â Rezeption 113
- FlĂŒchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang