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Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Seite - 106 -
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106 Joseph Lanner – Leben und Werk Musik ist Dialog. Mozart wĂ€re zutiefst beleidigt gewesen, hĂ€tten seine Zuhörer nicht zwischen den SĂ€tzen geklatscht. Beethoven dĂŒrfte nur scheinbar unempfindlich fĂŒr Publikumsreaktionen gewesen sein (zu- mindest im Moment der AuffĂŒhrung), seine Briefe sprechen eine andere Sprache und lassen seine Sehn- sucht nach unmittelbarer Anerkennung durchklingen. Das ritualisierte passive Hören im Konzertsaal existierte am Beginn des 19. Jahrhunderts noch lange nicht, das Abstellen des störenden GeschwĂ€tzes wĂ€hrend der Darbietung wurde erkauft mit Verlust an SpontaneitĂ€t und Anteilnahme. Dem Interpreten steht das Publikum nie einfach als Masse gegenĂŒber, sondern immer als Summe der anwesenden Individuen. Der SĂ€nger, der Geiger, der Kontakt mit seiner Zuhörerschaft sucht, der den Funken ĂŒber die Rampe springen lassen will, blickt in Einzelgesichter, selbst dort, wo die BĂŒhne weit entfernt von den ersten Sesselreihen ist und das Scheinwerferlicht blendet. Kein KĂŒnstler kann unberĂŒhrt bleiben, wenn Ablehnung oder – schlimmer noch – GleichgĂŒltigkeit ihm entgegen schlĂ€gt, knisternde Spannung hingegen ihn zu Höchstleistungen anspornt, die zu erbringen er sich in seinen kĂŒhnsten TrĂ€u- men nicht hĂ€tte vorstellen können. Zuvor Gesagtes gilt nicht nur fĂŒr den Konzertdirigenten Lanner, weit mehr noch fĂŒr ihn als den Leiter seiner Tanzkapelle, fĂŒr den Interpreten seiner Walzer und Galoppe. Das Orchester weit ĂŒber dem Tanz- boden aufzustellen, erwies sich bei Lanner als nicht ratsam: man wollte ihn nicht nur sehen, ja nicht einmal nur hören, man wollte seine physische PrĂ€senz, seine Ausstrahlung spĂŒren. Lanners Wirkung vor allem auf seine weiblichen Zuhörer war enorm. „Die Damen saßen in schweigsamer, beobachtender Hin- gegossenheit, schienen ganz in GefĂŒhlsauflösung begriffen gewesen zu seyn, denn Lanner ist ein Liebling der Frauenwelt nicht minder, wie der fashionablen MĂ€nnerwelt.“273 Sie entbehrte durchaus nicht einer gewissen erotischen Komponente („
 sich schon in die Herzen so vieler Schönen schlich  
“274). Aus der Wechselbeziehung Mann-Frau, die jeden Paartanz prĂ€gt, wurde eine – unausgesprochene – Dreiecksbe- ziehung. Bei jeder Walzerdrehung drehte sich nicht nur Lanners Musik, drehten sich nicht nur seine Ideen mit, sondern gleichsam er selbst wurde zum unsichtbaren, dafĂŒr aber umso prĂ€senteren Tanzpartner. Diese tiefgehende Wirkung seiner Musik – tiefgehend buchstĂ€blich, weil nicht im Adornoschen Sinne reflektiert, sondern direkt einwirkend vom Scheitel bis in die Zehenspitzen hinein – machte Lanners Geheimnis aus, das sich formal-analytischer Betrachtung weitestgehend verschließt. Virtuosentum „Der ‚Virtuose‘ ist heutzutage stark in Misskredit.“ (Julius Kapp, Paganini) 275 Der Wiener begegnet dem Virtuosen mit Skepsis. Er traut ihm nicht, hĂ€lt seine KunststĂŒcke fĂŒr Talmi. Seine grĂ¶ĂŸten Erfolge erzielte Nestroy mit Parodien, in denen er Übermenschliches, Unfassbares herunter brach auf die Vorstellungswelt der kleinen Leute aus der Vorstadt. Wie die Griechen höchst intimen Um- gang mit ihren Göttern pflegten, so lĂ€dt der Wiener seinen Herrgott (und, wenn es dienlich scheint, auch den Teufel) auf ein Glas Wein ein zum Heurigen und reduziert ihn, die „Reblaus“ auf den Lippen, bis zur ErtrĂ€glichkeit. In der Beurteilung des „Virtuosentums“ ĂŒberwiegt in der Musikwissenschaft Vorsicht: Riemann be- lĂ€sst es bei einem eher allgemein gehaltenen „Meister der Technik“, zĂ€hlt die wichtigsten Perioden auf, ohne sich auf Wertungen einzulassen.276 H. Loos erwĂ€hnt durchaus die negativen Begleiterscheinun- gen (inklusive Schumanns „Virtuosengeklimper“), sieht in Paganini und Liszt aber einen „glĂ€nzenden 273 Der Wanderer 6. 3. 1841. 274 Der Wanderer 22. 8. 1840. 275 Julius Kapp, Paganini, Berlin 1913. 276 Riemann, a.a.O. Artikel „Virtuose“ S. 1203, Spalte 1.
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Joseph Lanner Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
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Titel
Joseph Lanner
Untertitel
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Autor
Wolfgang Dörner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78793-8
Abmessungen
21.0 x 29.5 cm
Seiten
752
Schlagwörter
Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Danksagung 9
  3. Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
  4. Biographische Notizen 13
  5. Reisen 16
  6. Beginn – Werden – Sein 21
  7. VorlĂ€ufer – MitlĂ€ufer – Nachfolger 23
  8. Tanz 28
  9. BĂ€lle – TanzstĂ€tten – AuffĂŒhrungsorte 32
  10. Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
  11. Akademie – AssemblĂ©e – Conversation – Piquenique – RĂ©union 42
  12. Publikum 44
  13. Werke 46
  14. Instrumentation 69
  15. Formen 79
  16. Notenmaterialien 86
  17. WidmungstrÀger 95
  18. Titel 97
  19. Verlage 100
  20. Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
  21. FunktionalitĂ€t – Autonomie – Interpretation 102
  22. Virtuosentum 106
  23. Romantik – Biedermeier 108
  24. Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
  25. Rezension – Rezeption 113
  26. FlĂŒchtige Lust 115
  27. Literatur 117
  28. I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
    1. Vorwort 119
    2. Verlage 123
    3. AbkĂŒrzungen 123
    4. Bisherige Verzeichnisse 125
    5. Werkverzeichnis
    6. Opus 1 – 208 127
  29. II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
    1. Werkverzeichnis Anhang 1 – 90 e 605
  30. III. Sammelwerke und diverse Werke 717
  31. IV. Anhang
    1. Verzeichnis der Werke Joseph Lanners in alphabetischer Reihenfolge 721
    2. WidmungstrÀger 737
    3. August Lanner. Chronologisch-Thematisches Werkverzeichnis 739
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