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DaM-/DaF-Unterrichtspraxis wiederzufinden: Wie Untersuchungen zu Sprach-
einstellungen unter Deutschlehrenden und -lernenden im In- und Ausland gezeigt
haben (Ammon 1995, de Cillia 1997a, Markhardt 2005, Ransmayr 2005, 2006),
wird das österreichische Deutsch häufig nicht als Standardvarietät wahrgenommen,
sondern wird vielfach als Substandard- Varietät eingestuft (Ransmayr 2005: 374).
Hägi (2006) hat in ihrer Untersuchung gängiger DaF-Lehrwerke gezeigt, dass
die Umsetzung des plurizentrischen Konzepts in den Lehrbüchern meist noch
unzulänglich erfolgt war. Am Beginn unserer Untersuchung lag – bis auf eine
Fallstudie über DaM-Lehrwerke in der Sekundarstufe I (Heinrich 2010) – noch
keine umfassende Lehrwerksanalyse der gängigsten Lehrwerke für den Deutsch-
Muttersprachenunterricht in Österreich vor.
In den ExpertInnen- Interviews unserer Vorstudie fand sich unisono die Ein-
schätzung, dass in den österreichischen LehrerInnenbildungsinstitutionen (Uni-
versitäten und Pädagogische Hochschulen) die österreichische Varietät als Bil-
dungssprache nur eine geringe oder gar keine ausgewiesene Rolle spielen dürfte.
Im Laufe ihrer Ausbildung würden die angehenden LehrerInnen mit dem Thema
der österreichischen Standardsprache und den Varietäten der deutschen Sprache
(außer in den Fächern DaF und DaZ) wohl kaum in Berührung kommen, hieß
es, was zur Vermutung geführt hat, dass an Österreichs Schulen nur selten Fach-
wissen über die Plurizentrik des Deutschen vorhanden sein dürfte.
Was Normverständnis und Korrekturverhalten unter PädagogInnen betrifft,
zeigt die Fallstudie von Heinrich (2010), dass österreichische LehrerInnen tenden-
ziell Austriazismen zugunsten bundesdeutscher Varianten korrigieren. Es fanden
sich keine weitergehenden wissenschaftlichen Untersuchungen über die Norm-
toleranz und das Korrekturverhalten österreichischer LehrerInnen in Bezug auf
Austriazismen/Deutschlandismen/Helvetismen. In einer Pilotstudie aus dem Jahr
1995 (Ammon 1995, 423 – 445) unter österreichischen, deutschen und Schweizer
LehrerInnen hat Ammon die Tendenz zur stärkeren Korrektur fremdnationaler
Varianten festgestellt und eine deutlich geringere Toleranz gegenüber Austriazismen
und Helvetismen beobachtet als gegenüber Deutschlandismen. Ammon deutet dies
als eine eher schwach ausgeprägte Sprachloyalität österreichischer und Schweizer
LehrerInnen gegenüber der eigenen Varietät und ortet einen Zusammenhang
zwischen dem Korrekturverhalten und der Kenntnis nationaler Varietäten. Ähn-
liche Zusammenhänge stellt Ransmayr unter Universitätslehrenden für Deutsch
im nicht- deutschsprachigen Ausland fest (Ransmayr 2005, 236). Auch in einer
Pilotstudie von Legenstein (2008, 113) finden sich Hinweise auf eine Exonormorien-
tierung unter österreichischen PädagogInnen: Demnach würden österreichische
DeutschlehrerInnen bei der Textkorrektur im Zweifelsfall vielfach den Duden (und
nicht das ÖWB) verwenden und generell einen normunsicheren Eindruck machen.
Eine weitere Frage für die Bestandsaufnahme war die nach der Berücksichti-
gung der Thematik der staatsspezifischen Varietäten, insbesondere des österreichi-
schen Deutsch, und generell der soziolinguistischen Variation in den Lehrplänen
Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichtssprache
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256