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Die Beobachterin war, gemeinsam mit der Lehrperson, bereits kurz vor dem
Läuten zum Unterrichtsbeginn in der Klasse anwesend und wurde den Schüler-
Innen zu Stundenbeginn kurz vorgestellt. Die Beobachterin nahm im hinte-
ren Teil der Klasse Platz und machte über die Äußerungen von Lehrkraft und
SchülerInnen Notizen in einem dafür vorbereiteten Raster, indem die jeweilige
Art der Äußerung und die Unterrichtshandlung bzw. Kommunikationssitua-
tion, in der sie getätigt wurde, vermerkt wurde. So erfolgte die Begrüßung der
SchülerInnen durch die Lehrerin beispielsweise in der Standardsprache; eine
nicht- stoffbezogene Frage der Lehrerin an einen Schüler („Wo host Du Deine
Sochn?“) jedoch in der Umgangssprache.
Die Beobachterin blieb, um den Unterricht nicht zu stören, zunächst im hin-
teren Teil der Klasse auf einem Sessel sitzen. Die Inhalte des Unterrichts waren
zwei Referate zu den Themen „Junk Food“ und „Parfum“, anschließend an jedes
Referat wurden durch die Lehrkraft und die MitschülerInnen Fragen gestellt.
Danach wurden Fragebögen zu den Referaten ausgeteilt, die die SchülerInnen in
kleinen Gruppen gemeinsam beantworteten, während die Lehrkraft vorne stand
und die SchülerInnen bei der Arbeit beobachtete. Zuweilen ging sie durch die
Reihen und hörte einzelnen Gruppen zu.
Hierbei stand die Beobachterin auf und ging zwischen den Gruppen herum,
um zuzuhören und Daten zur Sprachverwendung in das Beobachtungsraster
eintragen zu können. Bei den Gesprächen über die Beantwortung der Fragen
sprachen die SchülerInnen, soweit es hörbar war, oft Umgangssprache. Bei den
Referaten und im stoffbezogenen SchülerInnen- LehrerInnen- Gespräch sprachen
die SchülerInnen meist Standarddeutsch, wobei dieses teilweise etwas bemüht
klang und eine minimale kärntnerische Färbung aufwies. Nicht standardsprach-
liche Äußerungen betrafen meist nicht stoff- bzw. themenbezogene Gespräche.
Die Lehrerin sprach im Unterricht fast ausschließlich Standarddeutsch, nur nicht
stoffbezogene Äußerungen waren dialektal/umgangssprachlich gefärbt. Je for-
meller also die Situation, desto größer schien das Bemühen um die Verwendung
der Standardsprache. Bei organisatorischen Gesprächen wurde Umgangssprache
gesprochen, die ungezwungen wirkte, z. B. „Fongst oba heite on!“, oder „Wos i
letzte Stund vagesn hob …“. Während der Stunde füllte die Beobachterin das
Beobachtungsraster aus: Für jede Äußerung, die getätigt wurde, wurde ein Kreuz
auf einer 5-stufigen Skala (wobei 1 für stark dialektal, 3 für umgangssprachlich
und 5 für standardsprachlich stand) gemacht sowie Sozialform, Art und Funktion
der jeweiligen Äußerung vermerkt. Nach Möglichkeit wurden auffällige (z. B.
vom normalen Sprachgebrauch der jeweiligen Person abweichende) Äußerun-
gen aufgeschrieben. Zusätzlich wurden der Ablauf der Stunde, die Anzahl, das
Alter, die Herkunft und die Muttersprachen der SchülerInnen, sowie Schulform,
Schulstufe und besondere pädagogische Konzepte der Klasse notiert und weiters
das Setting kurz beschrieben. Nach dem Ende der Unterrichtsstunde verließ die
Beobachterin die Klasse.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Empirische Erhebung bei LehrerInnen und
SchülerInnen120
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256